Nachweis von bedrohten Reptilienpopulationen mittels „environmental DNA“
Originaltitel:
Nachweis von bedrohten Reptilienpopulationen in schlecht zugänglichem Habitat mittels „environmental DNA“ (eDNA): Eine neue nicht – invasive Methode, etabliert und optimiert für die semiaquatische Krokodilschwanzechse (Shinisaurus crocodilurus) in den letzten Tieflandwäldern Vietnams
Die Krokodilschwanzechse (Shinisaurus crocodilurus) ist eine sehr ursprüngliche Echsenart, die 1930 aus Südchina beschrieben und erst vor einigen Jahren durch unser Team auch in Nordvietnam nachgewiesen wurde (LE & ZIEGLER 2003). S. crocodilurus bildet – als einzige rezente Art innerhalb der Familie der Shinisauridae – eine unabhängige systematische Linie. Mittlerweile ist die Krokodilschwanzechse akut vom Aussterben bedroht (gelistet als „Endangered“ auf der Roten Liste der IUCN und auf CITES Anhang II) und nur noch in kleinen und isolierten Restbeständen aufzufinden (VAN SCHINGEN et al. 2014a; 2016). Ihre genauen Verbreitungsgrenzen, ihre Ökologie und die Verwandtschaftsverhältnisse zwischen isolierten Subpopulationen sind seit der Entdeckung der Art in Vietnam nur lückenhaft bekannt. Die Krokodilschwanzechse ist als Habitatspezialist an saubere und abgelegene Fließgewässer angepasst, in denen sie schlecht zugängliche, aufgestaute Poolbereiche hinter kleinen Wasserfällen bevorzugt (VAN SCHINGEN et al. 2015b). In Vietnam kommt die Krokodilschwanzechse außerdem nur im immergrünen tropischen Tieflandfeuchtwald vor (VAN SCHINGEN et al. 2015b), der im aktuellen Verbreitungsgebiet mittlerweile jedoch fast komplett verschwunden ist (VAN SCHINGEN et al. 2015b). Wilderei stellt eine weitere zunehmende Bedrohung der Art in Vietnam dar. Nicht nachhaltiger, illegaler Handel führte in China bereits zu einem drastischen Populationsrückgang auf ca. 950 Tiere (HUANG et al. 2008). Basierend auf bekannten Vorkommen in Vietnam berechneten wir 2013 eine Populationsgröße von nur ca. 100 Individuen für dieses Land (VAN SCHINGEN et al. 2014b), doch konnte jüngst eine weitere, zuvor unbekannte Population entdeckt werden (VAN SCHINGEN et al. 2016). Aktuelle Zahlen aus dem vietnamesischen Tierhandel deuten darauf hin, dass es noch weitere – bislang nur den Einheimischen bekannte – Vorkommen geben muss, die laut Aussagen der lokalen Bevölkerung jedoch auch drastisch schwinden. Das Auffinden potenzieller weiterer Populationen ist von essenzieller Bedeutung, da so erst eine Unterschutzstellung eingeleitet und prioritäre Gebiete für weitere Schutzmaßnahmen identifiziert und geschaffen (z. B. Schutzkorridore) werden können. Außerdem ist die Aufnahme ökologischer Parameter essenziell, um beispielsweise die Lebensraumansprüche der Art abschätzen und die Haltungsbedingungen im Rahmen eines Erhaltungszuchtprogrammes optimieren zu können.
Um die akut bedrohten wildlebenden Populationen und deren Vorkommensgebiete besser schützen zu können, wollen wir eine effektive und nichtinvasive Methode etablieren, mit deren Hilfe Vorkommen auch in unzugänglichen Gebieten schnell eindeutig und ohne Störung nachgewiesen werden können.
„Environmental DNA“ (kurz: eDNA) ist eine relativ neue Analysemethode in der populationsökologischen Forschung, die auf dem Prinzip basiert, dass anhand geringster DNA-Spuren (z. B. aus Kot, Haut, Speichel oder Gewebe) einer Fokusart in Umgebungsmedien (Wasser, feuchtes Substrat) deren An- oder Abwesenheit ermittelt werden. Dieses eDNA-Monitoring wurde bisher bei Amphibien (FICETOLA et al. 2008), Fischen (TAKAHARA et al., 2012; JERDE et al., 2013) und sogar semiaquatischen Säugetieren (TABERLET et al. 2012) erfolgreich angewendet.
Unser Vorhaben ist – nach unserem Wissen – die erste Studie, die diese Methode an einer semiaquatischen Echse testet und sie für Folgestudien etabliert. Nachweise über eDNA benötigen keine direkte Sichtung oder gar einen Fang bzw. die Handhabung der zu untersuchenden Tierart. Dies kann helfen, aufwändige Expeditionen zu minimieren und ist vor allem in unzugänglichem Gelände, bei seltenen und kleinen Vorkommen und besonders empfindlichen Arten von Vorteil.
Da die Krokodilschwanzechse stark an das Wasser gebunden ist, eignet sie sich sehr gut dafür, die eDNA Methode im Feldeinsatz zu etablieren bzw. zu testen. Nach Etablierung der Methode im Labor wollen wir ihre Eignung zum Nachweis bislang unbekannter Populationen von S. crocodilurus in Fließgewässern Vietnams überprüfen. Hierfür werden wir sowohl Gewässer mit uns bekannten Vorkommen beproben als auch Fließgewässer weiterer Gebiete Nordvietnams untersuchen, die laut vorangegangen Berechnungen bzw. Modellen (VAN SCHINGEN et al. 2014a) potenziell von deser Art besiedelt sind, um dann im Optimalfall die Verbreitung der Krokodilschwanzechse in Vietnam aktualisieren zu können. Hierbei soll die Methodik so entwickelt werden, dass sie zukünftig auch für chinesische Populationen angewendet werden kann.
Mona van Schingen 1,2, Timm Reinardt 2,3, Thomas Ziegler 1,2, Patrick Fink 2
1 AG Zoologischer Garten Köln, Riehler Str. 173, Köln
2 Zoologisches Institut, Universität zu Köln, Zülpicher Str. 47b, Köln
3 Institut für Zoologie und Zellbiologie, Universität Düsseldorf, Universitätsstr. 1, Düsseldorf
Literatur:
- FICETOLA, G.F., MIAUD, C., POMPANON, F., TABERLET, P. (2008): Species detection using environmental DNA from water samples. – Biology Letters 4: 423–425.
- HUANG, C.M., YU, H., WU, Z. LI, Y.B., WEI, F.W. & GONG, M.H. (2008): Population and conservation strategies for the Chinese crocodile lizard (Shinisaurus crocodilurus) in China. – Animal Biodiversity and Conservation 31: 63–70.
- JERDE, C.L., CHADDERTON, W.L., MAHON, A.R., RENSHAW, M.A., CORUSH, J., BUDNY, M.L., MYSOREKAR, S. & LODGE, D.M. (2013): Detection of Asian carp DNA as part of a Great Lakes basin-wide surveillance program. – Canadian Journal of Fisheries and Aquatic Sciences 70: 522–526.
- LE, Q.K. & ZIEGLER, T. (2003): First record of the Chinese crocodile lizard from outside of China: Report on a population of Shinisaurus crocodilurus AHL, 1930 from Northeastern Vietnam. – Hamadryad. 27(2): 193–199.
- TABERLET, P., COISSAC, E., HAJIBABAEI, M. & RIESEBERG, L.H. (2012): Environmental DNA. – Molecular Ecology 21: 1789–1793.
- TAKAHARA, T., MINAMOTO, T., YAMANAKA, H., DOI, H. & KAWABATA, Z. (2012): Estimation of Fish Biomass Using Environmental DNA. – PLoS ONE 7: e35868.
- VAN SCHINGEN, M., IHLOW, F., NGUYEN, T.Q., ZIEGLER, T., BONKOWSKI, M., WU, Z. & RÖDDER, D. (2014a): Potential distribution and effectiveness of the protected area network for the Crocodile Lizard Shinisaurus crocodilurus AHL, 1930 (Reptilia: Squamata). – Salamandra 50(2): 71–76.
- –, PHAM, C.T., THI, H.A., BERNARDES, M., HECHT, V.L., NGUYEN, T.Q., BONKOWSKI, M., ZIEGLER, T. (2014b): Current status of the Crocodile Lizard Shinisaurus crocodilurus AHL, 1930 in Vietnam with implications for conservation measures. – Revue Suisse de Zoologie 121(3): 1–15.
- –, PHAM, C.T., THI, H.A., NGUYEN, T.Q., BERNARDES, M., BONKOWSKI, M. & ZIEGLER, T. (2015b): First ecological assessment on the endangered Crocodile Lizard Shinisaurus crocodilurus
AHL, 1930 in Vietnam: microhabitat characterization and habitat selection. – Herpetological Conservation and Biology 10(3): 947–957. - –, SCHEPP, U., PHAM, C.T., NGUYEN, T.Q. & ZIEGLER, T. (2015a): Last chance to see? Threats to and use of the Crocodile Lizard. – Traffic Bulletin 27:19-26.
- –, HA, Q.Q., PHAM, C.T., LE, T.Q., NGUYEN, Q.T., BONKOWSKI, M. & ZIEGLER, T. (2016, im Druck): Discovery of a new Crocodile Lizard population in Vietnam: Population trends, future prognoses and identification of key habitats for conservation. – Revue Suisse de Zoologie, akzeptiert.