Krankheiten
Amphibienkrankheiten
Der Chytridpilz I: Bd (Batrachochytrium dendrobatidis)
Die durch den Chytridpilz Batrachochytrium dendrobatidis ausgelöste Krankheit Chytridiomykose wurde erstmals Ende der 1990er-Jahre als Ursache für das Erlöschen von Amphibienpopulationen in scheinbar unberührten Gebieten in Mittelamerika und Australien identifiziert. Bald zeigte sich, dass die Chytridiomykose auch in anderen Gegenden der Welt, etwa in den Rocky Mountains (USA) oder in den
spanischen Zentralgebirgen, zu Bestandseinbrüchen bei Amphibien geführt hatte. Heute weiß man, dass der Chytridpilz auf allen Kontinenten außer der Antarktis weit verbreitet ist und zahlreiche Amphibienarten befällt.
Was weiß man über den Chytridpilz?
Eine Infektion mit dem Chytridpilz hat nicht bei allen Amphibienarten die gleichen Folgen. Einige Arten entwickeln sehr schnell Krankheitssymptome und sterben in kurzer Zeit, während der Pilz bei anderen offenbar keine negativen Auswirkungen hat. Sogar innerhalb einer Art können die Folgen unterschiedlich sein, denn die Wirkung des Pilzes kann sich auch von Population zu Population unterscheiden. Die Unterschiede können teilweise durch die Genetik der Art erklärt werden: Manche Population sind offenbar genetisch resistenter als andere – das Thema „Resistenz“ ist allerdings erst schlecht erforscht. Auch die Umwelt, in der die betroffene Amphibienpopulation lebt, spielt eine große Rolle. So wurden in spanischen Gebirgen Ausbrüche der Chytridiomykose bei der Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans) nur in großer Höhe auf etwa 2.000 m ü. NN beobachtet. Entscheidend ist aber nicht die Höhe selbst, sondern es sind die vor Ort herrschenden Temperaturen. Auch bei der Mallorca-Geburtshelferkröte (Alytes muletensis) spielt die Temperatur eine entscheidende Rolle. Zahlreiche Populationen dieser Art sind vom Chytridpilz befallen, und manche zeigen deswegen besorgniserregende negative Bestandstrends. Andere Populationen wiederum wachsen trotz hoher Infektionsraten. Entscheidend scheint hierbei der Lebensraumtyp zu sein: Lebt die Population in einer engen Schlucht, so ist das Wasser der Bäche kalt und die durch die Chytridiomykose ausgelöste Mortalität hoch. Lebt die Population dagegen in einer breiten und daher warmen Schlucht, so ist das Wasser warm. Weil das Wasser warm ist, verlieren die Kaulquappen die Infektion, und die Mortalität ist gering.
Woher kommt der Chytridpilz?
Die Studien aus Südamerika, Mittelamerika und Australien zeigen, dass sich der Pilz in kurzer Zeit über große Distanzen ausgebreitet hat. Wo die Ausbreitung angefangen hat, ist allerdings noch unklar. Eine These war, dass sich der Chytridpilz zusammen mit dem für Schwangerschaftstest und die Molekularbiologie weltweit gehandelten Krallenfrosch (Xenopus laevis) ausgebreitet hat. Grund für diese These war, dass in den 1930er-Jahren in Südafrika gesammelte Krallenfrösche mit dem Chytridpilz infiziert waren, wie nachträgliche Untersuchungen konservierten Materials ergaben. Heute ist allerdings bekannt, dass es noch ältere Nachweise des Chytridpilzes aus Japan und Brasilien gibt. Neue detaillierte genetische Untersuchungen zeigen, dass es mehrere Linien des Chytridpilzes gibt und dass eine dieser Linien (BdGPL genannt) für die Massensterben von Amphibien verantwortlich ist. BdGPL findet sich auf allen Kontinenten und hat sich offensichtlich sehr rasch ausgebreitet. Anders gesagt: Der Chytridpilz dürfte kein neues Pathogen sein! Eher ist es vermutlich so, dass der Pilz schon immer weit verbreitet war – wenn auch nicht überall. Neu ist bloß die Linie BdGPL. Die genetische Struktur von BdGPL zeigt klare Zeichen dafür, dass sie aus zwei anderen Linien des Chytridpilzes entstanden ist. Eine Erklärung wie es zu dieser Verbindung kam ist, dass durch den weltweiten Amphibienhandel verschiedene Linien zusammenkamen und sich die neue Linie BdGPL ebenfalls durch den Handel verbreitet hat. Das könnte der bekannte Krallenfrosch, der Amerikanische Ochsenfrosch (Lithobates catesbeianus), oder eine andere Art sein. Es muss auch nicht (nur) der Handel für die Terraristik verantwortlich sein; ebenso könnte der Handel mit Froschschenkeln zur Ausbreitung der Krankheit beitragen. Klar ist auf jeden Fall, dass viele gehandelte und in Terrarien gehaltene Amphibien mit dem Chytridpilz infiziert sind – um welche Linie(n) es sich genau handelt, wurde bisher allerdings noch nicht getestet. Oft ist auch nur ein kleiner Prozentsatz der Tiere infiziert. Da aber eine gewaltig große Anzahl von Individuen gehandelt wird, ist das Risiko dennoch groß. Auch andere Krankheitserreger, wie etwa das Ranavirus, werden mit dem Handel und/oder Wildfängen importiert und verbreitet. Über die Ausbreitung des Chytridpilzes ist insgesamt noch recht wenig bekannt; der Mensch trägt aber sicher seinen Teil dazu bei.
Auf Mallorca beispielsweise wurde der Chytridpilz durch das Wiederansiedlungsprojekt für die Mallorca-Geburtshelferkröte unabsichtlich eingeschleppt; die Wiederansiedlungen fanden zu einem Zeitpunkt statt, als der Chytridpilz als Pathogen noch gar nicht bekannt war. Während in der Terrarienhaltung einzelne Amphibien vergleichsweise einfach gegen den Chytridpilz behandelt werden können, ist eine Bekämpfung des Pilzes in der Natur bisher nicht möglich. Es gab derartige Versuche auf Mallorca und in der Schweiz. Kurzfristig zeigten sich zwar gewisse Erfolge, aber langfristig war eine erfolgreiche Bekämpfung nicht möglich. Bedeutsam ist auch die Entdeckung vor kurzem eines zweiten für Amphibien pathogenen Chytridpilzes. Es konnte gezeigt werden, dass der Bestandseinbruch des Feuersalamanders in den Niederlanden durch den neu beschriebenen Batrachochytrium salamandrivorans ausgelöst wurde. Diese Entdeckung zeigt, dass wir noch lange nicht alle Pathogene der Amphibien kennen.
Wie oben beschrieben, ist der Chytridpilz nicht überall ein gleich großes Problem für Amphibien. Er ist sicher auch nicht die einzige Ursache für deren Gefährdung. Es ist aber ebenso klar, dass ein Krankheitserreger immer eine Belastung für eine Population darstellt. Diese zusätzliche Belastung kann alleine oder im Zusammenspiel mit anderen Stressfaktoren zum Erlöschen von Amphibienpopulationen führen. Freilebende Populationen sind besonders dann gefährdet, wenn ein Krankheitserreger neu eingeschleppt wird. Es sind nun weder Panik oder Panikmache angebracht noch die in gewissen Kreisen verbreitete Verharmlosung eines potenziell gefährlichen Krankheitserregers.
Es ist sinnvoll, notwendig und absolut machbar, gewisse Grundregeln der Hygiene im Umgang mit Amphibien und Reptilien einzuhalten. Diese Regeln müssen dringend auch Halterinnen und Halter von Terrarientieren befolgen, die sich gleichzeitig feldherpetologisch betätigen und Umgang mit wildlebenden Amphibien und Reptilien haben. Gerade dieses „Doppelleben“ birgt Gefahren, denn es besteht vor allem dann die Möglichkeit, dass Krankheitserreger auf Wildtiere übertragen werden:
- Amphibien und Reptilien, die im Terrarium gehalten wurden, gehören unter keinen Umständen in die Natur. Dies gilt auch für Nachzuchten, ganz unabhängig davon, ob es sich um einheimische Arten handelt oder nicht. Das Aussetzen von Terrarientieren ist keine sinnvolle Maßnahme, um die Arten im Freiland zu fördern oder gar anzusiedeln.
- Der Fang von Amphibien oder Reptilien im Freiland ist bei uns generell untersagt bzw. bewilligungspflichtig! Das gilt auch für das kurzfristige Handling beispielsweise zu Bestimmungs- und Fotozwecken! Das Handling von Tieren mit oder ohne entsprechende Ausrüstung ist immer mit dem Risiko einer Krankheitsübertragung verbunden. Zudem stellt es für die Tiere besonders an häufig besuchten Standorten einen erheblichen Stressfaktor dar, der lokal zum Verschwinden bestimmter Arten führen kann. Beobachten Sie Amphibien und Reptilien daher in situ (in der Natur), ohne sie zu fangen! Es ist schonender für das Tier, schließt das Risiko einer Krankheitsübertragung aus, und es ist ohne Bewilligung möglich.
- Siehe auch: Hygieneprotokoll für feldherpetologisches Arbeiten (pdf)
Der Chytridpilz und das Ranavirus gelten als meldepflichtige Krankheiten gemäß OIE (Weltorganisation für Tiergesundheit). Der alte und der neue Chytridpilz sowie das Ranavirus sind aber nur ein paar wenige Krankheitserreger bei Amphibien. Diese und weitere Krankheiten, etwa die „snake fungal disease“, bedrohen die Gesundheit von Amphibien und Reptilien. Es ist wichtig, dass alle ihren Beitrag dazu leisten, damit das Risiko minimal bleibt.
Autor: B. Schmidt
Textquelle: Terraria/elaphe 3/2014, Seiten 70-73
Für weitere Informationen empfehlen wir:
Verbreitungskarte der Infektion in Europa:
Verbreitung der Infektion in Deutschland:
- Jörg Plötner, Torsten Ohst & Yvonne Gräser (2012): Zum Vorkommen des Amphibienpathogenen Hautpilzes Batrachochytrium dendrobatidis in Berlin und Brandenburg. – Rana 13: 80-84, Natur & Text, Brandenburg
- Torsten Ohst, Yvonne Gräser, Jörg Plötner (2013): Batrachochytrium dendrobatidis in Germany: distribution, prevalences, and prediction of high risk areas. – DISEASES OF AQUATIC ORGANISMS, Vol. 107: 49–59
Der Chytridpilz II: Bs (Batrachochytrium salamandrivorans)
Lesen Sie zur aktuellen Gefahr der Bs-Infektion den Artikel: Bs-Ausbreitung (hier klicken).
Informationen zu seuchenartigen Amphibienkrankheiten erhalten Sie auch in der DGHT-Broschüre hier als PDF.
Reptilienkrankheiten
(noch im Aufbau)