Gefährdet Batrachochytrium dendrobatidis Amphibienpopulationen in Südhessen?

Dez 18, 2012 by     Posted under: Geförderte Projekte 2011

Projektdurchführung: Christiane Schmidt, Jörn Köhler & Dirk Alfermann
Fördersumme: 2.500 Euro Originaltitel:

Gefährdet Batrachochytrium dendrobatidis Amphibienpopulationen in Südhessen?

Männlicher Bergmolch beim Überklettern eines Schutzzauns. Foto: R. Pietsch

Männlicher Bergmolch beim Überklettern eines Schutzzauns. Foto: R. Pietsch

Batrachochytrium dendrobatidis (Bd) ist ein Pilz, der die Haut von Amphibien befällt und pathogen werden kann. Die dadurch hervorgerufene Krankheit „Chytridiomykose“ ist eine krankhafte Veränderung der keratinisierten oberen Hautschichten und kann sowohl erwachsene Tiere, als auch Kaulquappen beeinträchtigen und töten. Chytridiomykose wird mit dem Phänomen des „Global Amphibian Decline“ in Zusammenhang gebracht und ist in vielen Fällen offenbar für stark rückläufige Populationsdichten sowie im Einzelnen für das Aussterben von Amphibienarten verantwortlich. Vor allem scheinen Populationen in Australien, im Westen der USA, Zentralamerika und den Anden Südamerikas betroffen zu sein (z.B. Berger et al. 1998, Morgan et al. 2007, Skerrat et al. 2007, Stuart et al. 2004, La Marca et al. 2005). Heute gibt es Nachweise von Bd auf allen Kontinenten, mit Ausnahme von großen Bereichen Asiens (Speare et al. 2004, Garner et al. 2006, Fisher et al. 2009). Innerhalb Europas wurde der Chytrid-Pilz an Wildpopulationen bisher in folgenden Ländern nachgewiesen: Spanien (z. B. Bosch et al. 2001, 2007, Bielby et al. 2009), Schweiz (z. B. Tobler et al. 2010), Italien (z. B. Bielby et al. 2009, Simoncelli et al. 2005, Bovero et al. 2008, Stagni et al. 2004) Portugal und Großbritannien (z. B. Garner et al. 2005) sowie Deutschland (Mutschmann et al. 2000, Bosch et al. 2001, Tobler et al. 2010, Ohst et al. 2011). Für die Schweiz liegen schon sehr flächendeckende Untersuchungen vor und der Pilz ist dort weit verbreitet. In der Hälfte aller Gewässer auf der nördlichen Seite der Alpen konnte Bd bereits nachgewiesen werden (Tobler et al. 2010). In Deutschland ist die Verbreitung des Chytrid-Pilzes jedoch noch sehr unzureichend erforscht. Im Rahmen des DFG-Projekts „Chytridiomykose – Untersuchungen zur Gefährdung einheimischer Amphibien durch Batrachochytrium dendrobatidis“ wurden an 156 Standorten deutschlandweit Stichproben genommen und auf Bd getestet (Ohst et al. 2011). Die Probenentnahmen erfolgten in den Jahren 2003 bis 2010 hauptsächlich an Wasserfröschen und zusätzlich im Frühjahr 2009 an Fängen von Amphibienschutzzäunen. Auch zehn Amphibienvorkommen in Hessen wurden dabei einbezogen. An vier hessischen Standorten (Fischborn, Eppertshausen und zwei Standorten in Wiesbaden) konnte der Pilz nachgewiesen werden (Ohst et al. 2011). Weitere Daten für das Bundesland Hessen liegen nicht vor.

Hautabstrichverfahren nach Kriger et al. (2006) bei einer Erdkröte. Foto: R. Pietsch

Hautabstrichverfahren nach Kriger et al. (2006) bei einer Erdkröte. Foto: r. Pietsch

Projektvorstellung und Zielsetzung
Es wird vermutet, dass Bd in Deutschland weit verbreitet ist. Im Rahmen dieses Projektes soll in der Region Südhessen modellhaft eine Untersuchung zur geographischen und taxonomischen Verbreitung von Bd durchgeführt werden. An 14 Standorten sollen im Zeitraum von März 2011 bis Mai 2011 in einem ersten „Screening“-Proben von acht verschiedenen Amphibienarten genommen werden. Bis zum 09. Mai 2011 wurden 210 Individuen an zwölf Standorten beprobt. Je Standort und Art sollen nach Möglichkeit mindestens sechs Abstrichproben genommen werden, um repräsentative Ergebnisse zu erzielen. In den ausgewählten Untersuchungsgebieten kommen insgesamt folgende Arten vor: Pelophylax spp., Bufo bufo, Pelobates fuscus, Rana arvalis, R. dalmatina, R. temporaria, Lissotriton helveticus, L. vulgaris, Mesotriton alpestris und Salamandra salamandra. Als Standorte wurden bevorzugt von Ortsgruppen des NABU und BUND betreute Amphibienschutzzäune gewählt, an denen die Amphibien am Zaun oder in Fangeimern einfach zu beproben sind. Die Probenentnahme durch die Erstautorin wurde mit den Betreuern vor Ort abgestimmt. In einigen Fällen konnten ehrenamtliche Helfer im Vorfeld zur Probennahme geschult werden. Bei drei Standorten in der Nähe der Naturschutzgebiete Kühkopf-Knoblochsaue und Mönchbruch, sowie dem größten hessischen Moorfroschvorkommen in Hessen, in Rodgau im Kreis Offenbach, erfolgt eine Probenentnahme über Kescher- und Reusenfänge. Die Proben werden über Hautabstriche der Bauch- und Rückenseite sowie der Extremitäten der Tiere mit sterilen Wattestäbchen genommen (Verfahren nach Kriger et al. 2006). Dabei sollen eventuell vorhandene Sporen von Bd aufgenommen und später im Labor isoliert werden, um den Pilz nachzuweisen. Der DNA-Nachweis erfolgt über das sogenannte Taqman Assay, einem modernen quantiativen realtime PCR-Verfahren (PCR = Polymerase Chain Reaction). Bei diesem Verfahren kann in einem Schritt nicht nur ein positiver oder negativer Nachweis erzielt, sondern auch die Konzentration der DNA bestimmt werden. Beim herkömmlichen PCR-Verfahren sind im Gegensatz zum Taqman Assay noch weitere zeit- und kostenintensive Arbeitsschritte erforderlich, um einen sensitiven und spezifischen Nachweis der PCR-Produkte zu erzielen. Im Vergleich mit histologischen Nachweisverfahren ist das Taqman Assay deutlich empfindlicher und reagiert bereits auf kleine Mengen DNA (Hyatt et al. 2007, Kriger et al. 2006). Es können so bereits Nachweise in sehr frühen Infektionsstadien und damit wesentlich früher als durch histologische Verfahren erbracht werden. Des Weiteren ist diese Technik minimal invasiv und schonend für die Tiere, da keine Phalangenamputation nötig ist, sondern lediglich Hautabstriche gemacht werden (Kriger et al. 2006). Die PCR-Analysen werden im Hessischen Landeslabor Gießen von Dr. Tobias Eisenberg durchgeführt. In diesem Projekt soll durch ein erstes umfassendes „Screening“ der Befallsstatus verschiedener Amphibienpopulationen und –arten einer Region intensiver als in vorangegangenen deutschen Studien ermittelt werden. Die Ergebnisse sind Grundlage für ein späteres Monitoring und ggf. Artenschutzmaßnahmen durch Behörden und Verbände. Die Erfahrungen dieser Modellstudie können zudem als Grundlage für vergleichbare Studien in anderen Regionen Deutschlands und der Schweiz dienen. Neben dem generellen „Screening“ fokussiert sich das Projekt auf die Untersuchung der letzten Moorfrosch-Vorkommen in Hessen und einer erneuten Beprobung und Vergleich der positiv getesteten Standorte in Wiesbaden, Eppertshausen und Fischborn aus dem Jahr 2009 (DFG-Projekt „Chytridiomykose – Untersuchungen zur Gefährdung einheimischer Amphibien durch Batrachochytrium dendrobatidis“). Die erneute Beprobung der letztgenannten Vorkommen dient dazu, die längerfristige Entwicklung und die Auswirkungen von Bd an einem Standort beurteilen zu können

Danksagung
Wir danken der DGHT für die finanzielle Unterstützung dieses Projektes durch den Hans-Schiemenz-Fonds. Für die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung zum Fang der Tiere und zur Probennahme bedanken wir uns bei Herrn Christian Hegen vom Hessen-Forst (FENA). Unser Dank gilt des Weiteren den Ortsgruppen und Verbänden des NABU und BUND in Gedern, Petersberg, Bad Camberg, Rosbach, Freigericht-Horbach, Wiesbaden, Reinheim-Überau und Bensheim-Langwaden, sowie der Naturschutzgruppe des Odenwaldklubs Eppertshausen und Anne Schleissner von der Stadt Mühlheim am Main. Für die Hilfe bei der Planung des Projekts und die Unterstützung und Beratung während der Feldarbeit danken wir Thomas Bobbe und der Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz in Hessen e.V. (AGAR) sowie dem Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Torsten Ohst vom Museum für Naturkunde Berlin stellte unpublizierte Informationen zur Verfügung. Besonderer Dank gilt Tobias Eisenberg vom Hessischen Landeslabor in Gießen für die Bereitschaft eine kostengünstige PCR-Analyse der Abstrichproben durchzuführen und Rainer Pietsch für die Bereitstellung von Fotos.

Literatur

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  • Bielby, J., S. Bovero, G. Sotgiu, G. Tessa, M. Favelli, C. Angelini, S. Doglio, F. C. Clare, E. Gazzaniga, F. Lapietra & T.W.J Garner (2009): Fatal chytridiomycosis in the Tyrrhenian painted frog. – Ecohealth, 6(1): 27–32.
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  • Tobler, U., B. R. Schmidt & C. Geiger (2010): Batrachochytrium dendrobatidis: Ein Chytridpilz, der zum weltweiten Amphibiensterben beiträgt. – Schweizer Zeitschrift für Pilzkunde, 3:112-116.

Autoren: Christiane Schmidt, Jörn Köhler & Dirk Alfermann

Dieser Artikel wurde veröffentlicht in der DGHT-Mitgliederzeitschrift: elaphe 3-2011 

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