Ökologie und Schutz der Zypriotischen Ringelnatter
Projektdurchführung: Hans-Jörg Wiedl & Felix Baier
Fördersumme: 900 Euro
Originaltitel:
Freilandforschung zur Ökologie der vom Aussterben bedrohten Zypriotischen Ringelnatter, Natrix natrix cypriaca / Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der vom Aussterben bedrohten Zypriotischen Ringelnatter, Natrix natrix cypriaca (Hecht, 1930)
Die Ringelnatter (Natrix natrix) ist in zahlreichen Unterarten über den gesamten europäischen Kontinent, Nordafrika sowie den Mittleren Osten verbreitet (Kabisch 1999). Der Unterartstatus der zypriotischen Form ist noch nicht endgültig verifiziert, doch wird sie im Allgemeinen als N. n. cypriaca bezeichnet (blosat 1998). Nach noch unveröffentlichten molekular-phylogenetischen Untersuchungen sind die zypriotischen Tiere im Vergleich zu anderen Ringelnatter-Unterarten erheblich differenziert (lawson, pers. Mitt.).
Die Zypriotische Ringelnatter galt bis in die siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts als ausgestorben (Demetropoulos & Lambert 1986, Osenegg 1989, Schmidtler 1984). Im Jahr 1992 gelang es dem Österreicher Hans-Jörg Wiedl (alias „Snake George“), eine Reliktpopulation in einem Stausee im Troodos-Gebirge wiederzuentdecken (Wiedl & Böhme 1992). Seit circa 2003 ist dieser Restbestand jedoch erloschen oder bestenfalls abgewandert, vermutlich durch den Eintrag von (perciformen) Fischen für den Angelsport, Habitatzerstörung und direkter Verfolgung (vgl. Blosat 1998). Glücklicherweise wurde 1994 ein weiterer Restbestand im Südosten der Insel entdeckt (Böhme & Wiedl 1994), dessen Individuenanzahl momentan auf nicht mehr als 20 Tiere geschätzt wird (pers. Beob.). Das Habitat dieser Population ist durch menschliche Behausungen umkreist und könnte in Zukunft möglicherweise ganz verbaut werden. Nach Blosat (im Druck) existieren zusätzlich drei weitere, vor kurzer Zeit neu entdeckte Vorkommen im Troodos-Gebirge: (i) an vier anthropogenen Teichen einer Farm, (ii) und (iii) an jeweils einem Bach. Gegenwärtig ist die Zypriotische Ringelnatter in Anhang IV der Richtlinie 92/43/EEC (Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie) aufgeführt und wird zusätzlich in Anhang II, der höchsten Schutzkategorie, als ‚priority species’ gelistet (s. konsolidierte Liste vom 01.01.2007). Seit der Wiederentdeckung 1992 ist Hans-Jörg Wiedl bemüht, die Zypriotische Ringelnatter zu erhalten. Dazu gelang 1995 der Aufbau eines Reptilienparks westlich der Stadt Paphos, dessen Aufgabe die Erhaltungszucht der Zypriotischen Ringelnatter ist. Außerdem ist die Anlage ein Zentrum der Aufklärung über die auf Zypern allseits gefürchteten und gehassten Schlangen. Ende 2007 ist nun der Pachtvertrag für das Land westlich von Paphos ausgelaufen. Infolgedessen haben wir das Projekt „Schutzmaßnahmen zur Erhaltung der vom Aussterben bedrohten Zypriotischen Ringelnatter“ neu aufgelegt und es in zwei Teile gegliedert. Der Umzug des Parkes ist dabei die eine Seite, und soll einen quantitativen Ausbau die Anlagen zur Erhaltungszucht sowie deren Optimierung für professionelle Zuchtvorhaben beinhalten. Die andere Seite dieses Schutzvorhabens betrifft Freilanduntersuchungen zur Ökologie der Zypriotischen Ringelnatter. Dieses Teilprojekt wird nun im Rahmen des Hans-Schiemenz-Fonds der DGHT finanziell unterstützt und soll daher hier vorgestellt werden. Ich befinde mich zu diesem Zweck in der Zeit von April bis September 2008 auf Zypern. Die einzig verfügbaren präziseren Daten zur Ökologie der Zypriotischen Ringelnatter sind der Dissertation von Birgit Blosat (Blosat 1998) zu entnehmen. Deren Untersuchung fand in den Jahren 1994, 1995 und 1996 statt. Allerdings wurden diese Daten an nur einer, nämlich der zuerst entdeckten Population erhoben – welche inzwischen zusammengebrochen ist. Es fehlen daher aktuelle, populationsökologische Daten zu den neu entdeckten Troodos-Populationen sowie der bereits länger bekannten Population im Osten der Insel (dies betrifft insbesondere den Populationsstatus, also z. B. Populationsgröße, Geschlechtsverhältnis, Anteil der Jungtiere). Anhand dieser Daten kann der Status quo der Zypriotischen Ringelnattern besser ab geschätzt werden. Darüber hinaus ist die Biologie der Zypriotischen Ringelnatter und ihre wirkliche Verbreitung auf Zypern generell schlecht erforscht. Gerade Daten zur Fortpflanzungsbiologie könnten aber gewinnbringend in die Zuchtvorhabendes Reptilienparkes eingebracht werden. Eventuelle weitere, bisher unbekannte Vorkommen könnten entscheidend zum Überleben der Zypriotischen Ringelnatter beitragen. Dementsprechend haben die Freilandarbeiten drei Ziele: (i) Daten zur Populationsökologie der bereits bekannten Populationen, (ii) Daten zur Fortpflanzungsbiologie, und (iii) möglichst großflächiges Absuchen potenzieller Habitate im Troodos-Gebiet. Die beiden ersten Punkte werden simultan bearbeitet. Eine der oben erwähnten Teilpopulationen soll regelmäßig observiert werden. Dabei werden Daten sowohl zur Populationsökologie, als auch zur Fortpflanzungsbiologie erhoben. Gefangene Tiere sollen markiert werden, wodurch über Fang-Wiederfangberechnungen die Populationsgröße geschätzt werden kann. Paarungszeit und Paarungsverhalten, Eiablageplätze, Gelegegröße und metrische Daten der Eier, abiotische Umweltbedingungen am Eiablageort während der Inkubation, Inkubationsdauer, metrische Daten der frisch geschlüpften Jungtiere sowie Daten zur Ökologie der Jungtiere in den ersten Lebenstagen sind Variablen der Fortpflanzungsbiologie, deren Erhebung bestmöglich geplant ist. Neben Tagesexkursionen sollen auch Nachtobservationen durchgeführt werden, da die Zypriotische Ringelnatter insbesondere in den Sommermonaten verstärkt nachtaktiv ist (pers. Beob., Blosat 1998). Der dritte Punkt, das Absuchen potenzieller Habitate, erfolgt gemeinsam mit letzten Freiland-Arbeiten zu einem Handbuch der zypriotischen Herpetofauna, das demnächst in der Edition Chimaira, Frankfurt/M., erscheinen wird (Baier, Sparrow & Wiedl, in Vorber.). Da der Gesamtbestand der Zypriotischen Ringelnatter aus nicht mehr als 80 bis 100, keinesfalls aber aus mehr als 150 Tieren besteht, ist es höchste Zeit, die Grundlage für effektive Schutzmaßnahmen zu schaffen. Diese Grundlage kann nur durch eine gründliche Erforschung der Lebensweise und Verbreitung dieser bemerkenswerten Schlange erreicht werden. Ich möchte mich herzlich bei Dr. Birgit Blosat, Jünkerath, für fruchtbare Diskussionen und die Übermittlung unveröffentlichter Manuskripte und Informationen bedanken. Dr. Robin Lawson, Berkeley, California, USA, stellte unveröffentlichte Informationen über den subspezifischen Status der Zypriotischen Ringelnatter zur Verfügung. Der DGHT danke ich für die finanzielle Unterstützung im Rahmen des Hans-Schiemenz-Fonds. Das Ministry of Agriculture, Natural Resources and Environment, Nicosia, stellte dankenswerterweise Forschungsgenehmigungen aus.
Literautr
- Baier, Sparrow & Wiedl (in Vorber., 2008): The Amphibians and Reptiles of Cyprus. A Handbook and Field Guide. – Frankfurt/M. (Edition Chimaira).
- Blosat, B. (1998): Morphologie, Aut- und Populationsökologie einer Reliktpopulation der zypriotischen Ringelnatter, Natrix natrix cypriaca (Hecht, 1930). – Dissertation Universität Bonn, unpubl.
- Blosat, B. (im Druck): Population Status, Threats and Protection of the Grass Snake, Natrix natrix cypriaca (Hecht, 1930) on Cyprus. – Mertensiella.
- Böhme, W. & H. Wiedl (1994): Status and zoogeography of the herpetofauna of Cyprus, with taxonomic and natural history notes on selected species (genera Rana, Coluber, Natrix, Vipera). – Zoology in the Middle East 10(1994): 31-52.
- Demetropoulos, A. & M. Lambert (1986): Herpetology in Cyprus. – British Herpetological Society Bulletin 17: 22-23, 26-27.
- Kabisch, K. (1999): Natrix natrix (Linnaeus, 1758) – Ringelnatter. – pp. 513-580 in: Böhme, W. (Ed.): Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas. Band 3/IIA, Schlangen II. – Wiesbaden (Akademische Verlagsgesellschaft).
- Osenegg, K. (1989): Die Amphibien und Reptilien der Insel Zypern. – Diplomarbeit Universität Bonn, unpubl.
- Schmidtler, J. F. (1984): Zur Bestandssituation der Amphibien und hydrophilen Reptilien auf der Insel Zypern. – Salamandra 20(1): 43-49.
- Wiedl, H. & W. Böhme (1992): Wiederentdeckung der Ringelnatter (Natrix natrix ssp.?) auf Zypern – vorläufiger Bericht. – herpetofauna 14(80): 6-10.
Autor: H.-J. Wiedl
Dieser Artikel wurde veröffentlicht in der DGHT-Mitgliederzeitschrift: elaphe 2-2008
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