Namen & Verwandtschaften

Wissenschaftliche Benennung

Gerade geschlüpfte E. orbicularis

Gerade geschlüpfte E. orbicularis

Der wissenschaftliche Name der Europäischen Sumpfschildkröte, Emys orbicularis, geht auf niemand Geringeren als den Begründer der modernen zoologischen und botanischen Nomenklatur, CARL VON LINNÉ, zurück, der in seiner 1758 erschienenen „Systema Naturae“ die weitverbreitete Art „Testudo orbicularis“ nannte. Warum er nun gerade den Artnamen „orbicularis“ (kreisrund) wählte, darüber lässt sich trefflich spekulieren – vielleicht, weil ihm ein Jungtier mit noch relativ rundem Panzer vorlag?
Die Europäische Sumpfschildkröte ist in ihrem Verbreitungsgebiet eigentlich ein Exot. Verwandtschaftlich gehört sie nämlich zu der fast ausschließlich in Amerika verbreiteten Familie der Echten Sumpfschildkröten (Emydidae), die neben Emys orbicularis in Europa nur noch mit einer weiteren Art, der Sizilianischen Sumpfschildkröte (Emys trinacris), vertreten ist. Emys orbicularis ist eine morphologisch sehr variable Art, bei der aktuell aufgrund genetischer Untersuchungen sechs benannte und zwei unbenannte Unterarten anerkannt
werden. Die Unterarten unterscheiden sich in der Färbung und Größe zum Teil erheblich voneinander. Allerdings können manchmal auch Exemplare ein und derselben Unterart morphologisch ziemlich unterschiedlich ausfallen.

Männliche Emys orbicularis mit roter Irisfärbung; Foto: N. Schneeweiß

Männliche E. orbicularis mit roter Irisfärbung; Foto: N. Schneeweiß

Als Faustregel kann gelten, dass Europäische Sumpfschildkröten im Mittelmeergebiet selten 15 cm Panzerlänge (Stockmaß) überschreiten, oft aber deutlich kleiner bleiben. Tiere aus dem Osten und Norden des Verbreitungsgebiets können dagegen erheblich größer werden und erreichen maximale Panzerlängen bis zu 23 cm. Alte Berichte von noch größeren Tieren konnten nie bestätigt werden. Im Osten und Norden des Verbreitungsgebiets sind die Schildkröten oft sehr dunkel gefärbt, und Männchen zeichnen sich durch eine intensiv rote Irisfärbung aus. Im Mittelmeergebiet und in der Türkei gibt es dagegen teilweise ausgesprochen hell gefärbte Tiere, deren Rückenpanzer eine braune oder sogar hellbeige statt schwarze Grundfarbe hat. Bei manchen mediterranen Unterarten wie bei Emys orbicularis galloitalica oder E. o. hellenica haben die Männchen eine komplett weiße Irisfärbung, was sich dann kontrastreich von der dunklen Hautfärbung abhebt.

Unterarten

Folgende sechs Unterarten der Europäischen Sumpfschildkröte sind derzeit anerkannt:

Westliche Sumpfschildkröte aus der Region Tudela (Navarra, Spanien); Foto: A. Kwet

Westliche Sumpfschildkröte aus der Region Tudela (Navarra, Spanien); Foto: A. Kwet

  • Den größten Teil des Verbreitungsgebiets besiedelt die Nominatform, Emys orbicularis orbicularis, die außer in der Türkei immer recht dunkel gefärbt ist. Auf dem Südost-Balkan bleibt diese Unterart deutlich kleiner als in anderen Teilen ihres Verbreitungsgebiets.
  • In Nordafrika und auf der Iberischen Halbinsel siedelt die Westliche Sumpfschildkröte (E. o. occidentalis).
  • Entlang der französischen Mittelmeerküste, an der Westseite des italienischen Stiefels sowie wohl vor langer Zeit vom Menschen auf Korsika und Sardinien eingeführt lebt E. o. galloitalica, eine kleine Sumpfschildkröte mit Panzerlängen meist deutlich unter 15 cm, von der es ziemlich dunkel und hell gefärbte Exemplare gibt. Die genetische Linie von E. o. galloitalica triff t man auch auf Mallorca und Menorca an, wo die Unterart ebenfalls eingeführt wurde, aber keine reinen Populationen bildet, sondern eine Mischform mit der Nominatform.
  • Rings um die Adria, im westlichen Griechenland und auf der Peloponnes kommt E. o. hellenica vor, eine meist kleinwüchsige Unterart mit ausgeprägtem Sexualdimorphismus in der Färbung.
    Emys orbicularis hellenica vom Balkan; Foto: A. Kwet

    Emys orbicularis hellenica vom Balkan; Foto: A. Kwet

  • In der Südtürkei leben zwei weitere Unterarten mit sehr kleinem Verbreitungsgebiet, wovon bisher nur eine benannt ist (E. o. eiselti); eine weitere namenlose Unterart kommt in Algerien und Tunesien vor.
  • Im östlichen Transkaukasien, im nördlichen Iran und in Turkmenien lebt schließlich die sehr hübsch gefärbte Unterart E. o. persica.
Emys orbicularis orbicularis (Haplotyp IIa); Foto: R. Podloucky

Emys orbicularis orbicularis (Haplotyp IIa); Foto: R. Podloucky

 

 

 

 

 

 

Textautoren: Uwe Fritz, Norbert Schneeweiß & Richard Podloucky
Textquelle: Aktionsbroschüre zum Reptil des Jahres 2015 (hier als pdf herunterladen)

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