Überprüfung von Isolation und Autochthonie der Westlichen Smaragdeidechse

Mrz 24, 2014 by     Posted under: Geförderte Projekte 2013

Originaltitel:

Überprüfung von Isolation und Autochthonie der Westlichen Smaragdeidechse (Lacerta bilineata) an der Untermosel sowie im hessischen Lahntal

Männchen von Lacerta bilineta an der Untermosel im Juni 2013 Foto: U. Schulte

Männchen von Lacerta bilineta an der Untermosel im Juni 2013 Foto: U. Schulte

Nicht nur optisch, auch naturschutzfachlich ist die Westliche Smaragdeidechse (Lacerta bilineata) eines der Juwele der deutschen Fauna. Als „flagship species“ (Leitart) und Art mit großem Raumbedarf und hohen Qualitätsansprüchen an ihren Lebensraum bietet ihr Schutz die Möglichkeit, die Akzeptanz für den Schutz qualitativ hochwertiger Lebensräume für eine Vielzahl gefährdeter Tier- und Pflanzenarten („umbrella species“ = Zielart) zu schaffen und diese Lebensräume langfristig zu sichern. Weit außerhalb des Hauptverbreitungsgebiets der Westlichen Smaragdeidechse, das im Osten in etwa auf einer Linie von Langres, Vesoul und Baumees-Dames in Frankreich endet, bilden die rheinland-pfälzischen und südbadischen Vorkommen die nordöstliche Arealgrenze der Art und repräsentieren typische isolierte Reliktvorkommen. In den Roten Listen von Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg wird L. bilineata als „vom Aussterben bedroht“ eingestuft und gehört bundesweit zu den seltensten Reptilien überhaupt. Das sehr gut dokumentierte historische Verbreitungsgebiet der Art sowie ihr auffälliges Erscheinungsbild ermöglichen ein recht detailliertes Bild über ihren dramatischen Rückgang in Deutschland. Während großflächige Lebensraumverluste durch Rebflurbereinigungen als wesentlicher Gefährdungsfaktor auf der Hand liegen, fehlen jegliche Kenntnisse zur Gefährdung durch reduzierten Genfluss und genetische Verarmung aufgrund von Habitatfragmentierung. Dies

Mundschleimhautabstrich Foto: U. Schulte

Mundschleimhautabstrich Foto: U. Schulte

ist erstaunlich, berücksichtigt man den hohen Schutzstatus der Art, die erhöhte Verantwortung Deutschlands für die Reliktvorkommen und das große Gefährdungspotenzial durch die zunehmende Zerschneidung der Restlebensräume. Insbesondere am unteren Lauf der Mosel, der für den Gesamtbestand in Deutschland am bedeutendsten ist, haben der Ausbau von Verkehrswegen, die zunehmende Besiedlung der Hänge sowie der Prädationsdruck durch Hauskatzen und Hühner negative Auswirkungen auf die Populationen. Geeignete, aber sehr kleinflächige Lebensräume findet die Art nur noch an den durch Pflegemaßnahmen offengehaltenen oberen Bereichen der ehemaligen Rebhänge. Der einzige verbliebene Ausbreitungs- und Verbindungskorridor der Vorkommen ist auf die Bahntrasse entlang der Mosel beschränkt. Oberhalb der Rebhänge verhindern vielerorts landwirtschaftliche Nutzflächen eine Ausbreitung bzw. Vernetzung der Populationen, sodass von einem vermutlich stark eingeschränkten genetischen Austausch zwischen den einzelnen Subpopulationen auszugehen ist.

Konnektivität und Identifizierung von Management-Einheiten der Westlichen Smaragdeidechse an der Untermosel

Lebensraum der Westlichen Smaragdeidechse an der unteren Mosel mit der Bahnstrecke als Vernetzungskorridor Foto: U. Schulte

Lebensraum der Westlichen Smaragdeidechse an der unteren Mosel mit der Bahnstrecke als Vernetzungskorridor Foto: U. Schulte

Ziel des beantragten Projektes ist es, erstmalig die Vernetzung der verbliebenen Reliktvorkommen der für den deutschen Bestand der Art bedeutendsten Teilpopulation am Unterlauf der Mosel zu überprüfen. Hierfür werden bekannte Vorkommen zwischen Zell und Koblenz (Rheinland-Pfalz) untersucht. Mithilfe molekulargenetischer Methoden (Mikrosatelliten) wird deren genetische Diversität bestimmt und daraus der genetische Austausch (Genfluss) zwischen den Einzelvorkommen abgeleitet. Dies wird es ermöglichen, durch Genfluss miteinander vernetzte Vorkommen als besonders schützenswerte Management-Einheiten (MUs) für Artenschutzbemühungen zu identifizieren. Als MU wird eine zusammenhängende Gruppe von Populationen definiert, zwischen denen aufgrund von Migration einzelner Individuen Genfluss besteht (PALSBǿLL et al. 2007). Als Indizien für eine intakte Metapopulationsstruktur im Sinne einer MU werden eine hohe genetische Diversität und moderate genetische Differenzierungen zwischen Populationen angesehen. Die gewonnenen Daten werden Schlussfolgerungen für ein lokales und regionales Populationsmanagement der Westlichen Smaragdeidechse im Sinne einer effektiven Vernetzung der wenigen verbliebenen Vorkommen erlauben, um somit den lokal unterbrochenen Genaustausch z. B. durch Schaffung von Trittsteinbiotopen wiederherstellen zu können.

Überprüfung der Autochthonie hessischer Vorkommen sowie von Aussetzungen an der unteren Mosel
In einem ergänzenden Projektteil soll die Autochthonie der nach rund 150 Jahren wieder für Hessen nachgewiesenen Vorkommen untersucht werden. Der Status dieser Populationen ist nach den bisherigen molekularbiologischen Analysen nicht abschließend geklärt. Zwar wurde über eine DNASequenzierung nachgewiesen, dass es sich um die westliche Art, Lacerta bilineata, handelt, dennoch ist unklar, ob diese Vorkommen autochthon sind. Aus diesem Grund soll über eine feiner auflösende Mikrosatellitenanalyse und einen Abgleich mit der zu den hessischen Vorkommen nächstgelegenen rechtsrheinischen Population an der Lahnmündung der Status der hessischen Smaragdeidechsen beurteilt werden. Im Vergleich zu den Moselpopulationen sollten die Vorkommen bei Lahnstein weniger stark von den hessischen Vorkommen differenziert sein und je nach Alter der Isolation gemeinsame Allele tragen. Die Genotypisierung der Moselpopulationen wird es beiläufig zur Analyse ihrer Konnektivität ermöglichen, die Einschleppung gebietsfremder Allele in den indigenen Genpool der Vorkommen (Introgression) abzuschätzen. Für den zentralen Kaiserstuhl ist eine solche Vermischung bereits belegt (L.-viridis-typische Allele sowie Allele italienischer Lacerta bilineata), an der Untermosel fehlen trotz Anzeichen für Aussetzungen jegliche Untersuchungen.

Literatur

  • Alfermann, D. (2008): Die Smaragdeidechse bei Runkel: Überprüfung weiterer möglicher Vorkommen. – elaphe 16: 28–29.
  • Böhme, M.U., N. Schneeweiss, U. Fritz, M. Schlegel & T.U. Berendonk (2007): Small edge populations at risk: genetic diversity of the green lizard (Lacerta viridis viridis) in Germany and implications for conservation management. – Conservation Genetics 8: 555–563.
  • Elbing, K. (2001): Die Smaragdeidechsen – zwei (un)gleiche Schwestern. – Laurenti-Verlag, Bochum. – & H.K. Nettmann (2001): Beiträge zur Naturgeschichte und zum Schutz der Smaragdeidechsen (Lacerta s. str.). – Mertensiella 13, 288 S.
  • Fritz, K. & P. Sowig (2007): Westliche Smaragdeidechse Lacerta bilineata DAUDIN, 1802. – S. 577–596 in: Laufer, H., K. Fritz & P. Sowig (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs. – Ulmer-Verlag, Stuttgart.
  • Henf, M. & D. Alfermann (2004): Neunachweis der Smaragdeidechse im hessischen Lahntal. – Salamandra 40: 235–238.
  • Joger, U., T. Amann & M. Veith (2001): Phylogeographie und genetische Differenzierung im Lacerta viridis/bilineata Komplex. – Mertensiella 13: 60–68.
  • Kühnel, K.-D., A. Geiger, H. Laufer, R. Podloucky & M. Schlüpmann (2009): Rote Liste und Gesamtartenliste der Kriechtiere (Reptilia) Deutschlands. – S. 231–256 in: Haupt, H., G. Ludwig, H. Gruttke, M. Binot-Hafke, C. Otto & A. Pauly (Red.): Rote Listen gefährdeter Tiere, Pflanzen und Pilzarten Deutschlands, Bd. 1: Wirbeltiere. – Naturschutz und Biologische Vielfalt 70(1).
  • Niehuis, M. & P. Sound (1996): Westliche Smaragdeidechse – Lacerta (viridis) bilineata (DAUDIN, 1802). – S. 357–376 in: Bitz, A., K. Fischer, L.
  • Simon, R. Thiele & M. Veith (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien in Rheinland-Pfalz Band 1, Landau (zgl. Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Beiheft 18/19).
  • Palsbǿll, P.J., M. Bérube & F. J. Allendorf (2007): Identification of management units using population genetic data. – Trends in Ecology and Evolution 22: 11–16.
  • Steinicke, H., K. Henle & H. Gruttke (2002): Bewertung der Verantwortlichkeit Deutschlands für die Erhaltung von Amphibien- und Reptilienarten. – Bundesamt für Naturschutz, Bonn-Bad Godesberg.

Textautoren:
Ulrich Schulte, Dirk Alfermann, Norman Wagner, Ulrich Joger & Michael Veith

This page as PDF Download als PDF