Die Rotbauchunke im Ökosystem Flussaue

Mrz 24, 2014 by     Posted under: Geförderte Projekte 2013

Originaltitel

Die Rotbauchunke (Bombina bombina) im Ökosystem Flussaue: ein Indikator für den Erfolg von Renaturierungsmaßnahmen

Rotbauchunke B. bombina; das Untersuchungsgebiet stellt einen Verbreitungsschwerpunkt an der westlichen Arealgrenze der Art dar Foto: A. Wulff

Rotbauchunke B. bombina; das Untersuchungsgebiet stellt einen Verbreitungsschwerpunkt an der westlichen Arealgrenze der Art dar Foto: A. Wulff

Amphibien im Ökosystem Flussauen Natürliche Flussauen zählen zu den biologisch produktivsten und diversesten Ökosystemen der Erde. Sie sind hochdynamische Systeme und zeichnen sich durch eine hohe räumliche (durch ein komplexes Mosaik verschiedener Habitattypen) und zeitliche Heterogenität aus, die durch die Überflutungsereignisse und den Rückzug des Wassers bestimmt wird. Ihr hoher Artenreichtum und ihre Korridorfunktion machen sie für den Naturschutz äußerst bedeutend . Umso bedenklicher ist es, dass Flussauen heute zu den weltweit am meisten gefährdeten Ökosystemen gehören. In Europa sind über 90 % der ursprünglichen Flussauen verschwunden oder in ihrer Funktion nachhaltig gestört. Besonders geeignete Indikatoren, um den Störungsgrad stehender Gewässer in Flussauen abschätzen zu können, sind Amphibien. Aktive Flussauen, mit ihrer regelmäßigen Überschwemmungs- und Austrocknungsdynamik, bieten mehr geeignete Habitate für Amphibien als statische Systeme.

Deichrückverlegung im Naturschutzgroßprojekt Lenzen
Schon vor Jahrhunderten wurden entlang der Elbe und an anderen Flüssen Europas Deiche gebaut, die den Fluss von seiner natürlichen Aue abtrennten. Dies geschah zum Schutz vor Hochwasser in menschlichen Siedlungen und auf Ackerflächen und um die fruchtbaren Aueböden landwirtschaftlich nutzbar zu machen. Das Fehlen der natürlichen, regelmäßigen Überflutungen führte jedoch zum Verschwinden der natürlichen Auenlandschaft, und damit zu einer starken Reduktion der Diversität von Tieren und Pflanzen. Um eine Annäherung an die ursprüngliche Diversität zu ermöglichen, wird im Naturschutzgroßprojekt Lenzener Elbtalaue eine Renaturierung zum möglichst ursprünglichen Zustand des natürlichen Lebensraumes Flussaue angestrebt. Hierzu wurde seit 2009 über ein Rückdeichungsprojekt auf einer Fläche von 420 ha eine freie Verbindung zum Fluss geschaffen und somit die zeitliche und räumliche Dynamik des Flusses, v. a. Durch Überflutungen im Frühjahr, wiederhergestellt. Durch die Reaktivierung des Ökosystems Flussaue sollen neben der Wiederherstellung einer natürlichen, funktionsfähigen Auenlandschaft mit ausgedehnten Weich- und Hartholzauenwäldern weitere Auenlebensräume entwickelt werden, die für Amphibien besondere und wichtige Habitate darstellen: großflächige Auengewässer, Flachwasserbereiche und Uferfluren sowie Qualmwasser-Lebensräume. Insgesamt elf Amphibienarten kommen im Gebiet vor, darunter FFH-Arten wie Rotbauchunke, Knoblauchkröte, Kreuzkröte und Kammmolch.

Die Rotbauchunke (Bombina bombina) als typische Auenart

Typische Laichgewässer für B. bombina

Typische Laichgewässer für B. bombina

Die Rotbauchunke ist ein für den Lebensraum Flussaue mit seiner starken zeitlich-räumlichen Dynamik typischer Froschlurch (SY & MEYER 2001). Sie besiedelt bevorzugt besonnte, vegetationsreiche, möglichst fischfreie Flachgewässer mit starker jahreszeitlicher Wasserstandsdynamik. Die Stärke und Dauer der Frühjahrshochwasser und v. a. die Rückhaltefähigkeit der gefluteten Auenflächen bei fallendem Wasserpegel ist entscheidend für den Reproduktionserfolg. Die höchsten Populationsdichten der Art finden sich in solchen Auenbereichen, die diese Eigenschaften aufweisen und die typisch für intakte Auenhabitate sind. Somit reagiert die Rotbauchunke besonders sensitiv auf Störungen der Auenbereiche. Wir erwarten deshalb einen positiv Einfluss auf die Population durch die Schaffung von neuen Überflutungsflächen. Neben diesen direkt überfluteten Bereichen besiedeln Rotbauchunken vermehrt Qualmgewässer, d. h. temporäre Flachgewässer hinter dem Deich, die durch das Unterströmen des Deichs von Grundwasser bei hohem Flusspegel entstehen. Da durch die neu geschaffene Überflutungsfläche vor dem neuen Deich der Wasserstand am Deich generell abnimmt, erwarten wir, dass diese Gewässer nach der Deichrückverlegung seltener werden bzw. schneller austrocknen. Dies sollte sich negativ auf die Population auswirken. In unserem Projekt wollen wir zunächst in einer Feldstudie untersuchen, welchen Einfluss die Renaturierung der Flussaue auf Amphibiengemeinschaften haben. Konkret möchten wir folgende Fragen beantworten: Welche Auswirkungen hat die Renaturierung der Flussaue auf Amphibiengemeinschaften, also auf Artenreichtum und die Struktur der Gemeinschaft aller Amphibienarten – und speziell auf B. bombina? Und welche Beschaffenheiten eines Gewässers sind ausschlaggebend für dessen Nutzung als Laichhabitat durch B. bombina, besonders unter Einbeziehung der zeitlichen und räumlichen Dynamik des Systems? Wie verändert sich das Laichhabitat für Amphibien durch die Deichöffnung, insbesondere das Vorhandensein verschiedener Laichgewässertypen (Qualmwasserzone, Flutmulden, Tümpel, Überschwemmungsflächen) und deren zeitliche und räumliche Dynamik?

Typische Laichgewässer für B. bombina: (großes Bild) Qualmwasser hinter dem Deich, (kleines Bild) neugeschaffene Überflutungsflächen vor dem neuen Deich

Typische Laichgewässer: Qualmwasser oder neugeschaffene Überflutungsflächen

Das Vorfinden geeigneter Bedingungen zur erfolgreichen Larvalentwicklung ist von entscheidender Bedeutung für das Vorkommen von Amphibienarten. Die Nahrungsökologie von larvalen Amphibien ist dabei ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der Nutzung von Laichgewässern, der Eignung von Gewässern für Amphibien und damit zur Verbreitung von Amphibienarten. Das Vorkommen bzw. das Fehlen von bestimmten Nahrungsquellen bestimmt in der Regel darüber, ob ein Lebensraum (also z. B. ein Gewässer für Kaulquappen) von Tieren genutzt werden kann oder nicht und ist somit für den Schutz der Arten von zentraler Bedeutung. Jedoch ist nur von wenigen Froscharten, durch direkte Beobachtungen in der Natur oder durch Laborexperimente, bekannt, welche Art von Nahrung die entsprechenden Kaulquappen fressen. Es werden v.a. abgestorbene Pflanzenteile (Blätter, Stängel) als Nahrung genutzt. Es ist aber bisher fast völlig unklar, inwieweit Kaulquappen tatsächlich das aufgenommene Pflanzenmaterial verdauen oder lediglich den mikrobiellen Aufwuchs (Bakterien, Pilze) auf den Pflanzenteilen nutzen und entsprechend die anderen Pflanzenteile unverdaut wieder ausscheiden. Wir wollen diese Fragen für Kaulquappen von B. bombina mit einer Kombination von Feld- und labortechnischen Methoden beantworten, nämlich zum einen der Bestimmung der Mikrohabitatwahl der Kaulquappen bei gleichzeitiger Bestimmung der Nahrungsquellen in diesen Mikrohabitaten. Zum anderen wollen wir die trophische Nische durch die Analyse stabiler Isotope im Tiergewebe bestimmen und weiterhin die aufgenommene Nahrung direkt durch die Analyse des Inhaltes des Kaulquappendarms mit mikroskopischen Methoden analysieren.

Literatur

  • Altig, R., M. R. Whiles & C. L. Taylor (2007): What do tadpoles really eat? Assessing the trophic status of an understudied and imperiled group of consumers in freshwater habitats. – Freshwater Biology 52: 386–395.
  • Glos, J., J. Behnke, J. T. Feigs, G. Grunwald, D. Kühne, A. Rrottenau & S. Ryz (2012): Amphibien in Flussauen – der Einfluss der Renaturierung der Lenzener Elbtalaue auf die Diversität von Amphibien und die Entwicklung von Amphibienpopulationen. – S. 31–36 in Ministerium für Umwelt (Hrsg.): Auenreport Spezial. – Brandenburgische Universitätsdruckerei und Verlagsgesellschaft Potsdam mbH.
  • Günther, R. (1996): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. – Gustav Fischer Verlag, Jena.
  • Klaus, I., J.V. Ward, K. Tockner & C. Baumgartner (2006): Amphibian diversity and nestedness in a dynamic floodplain river (Tagliamento, NE-Italy). – Hydrobiologia 565: 121–133.
  • Sy, T. & F. Meyer (2001): Die Rotbauchunke (Bombina bombina) an ihrer westlichen Arealgrenze – zur Verbreitung und Gefährdungssituation in den Flussauen Sachsen-Anhalts. – Zeitschrift für Feldherpetologie 8: 233–244. 
  • Tockner, K., S.E. Bunn, G. Qquinn, R.J. Naimann, J.A. Stanford & C. Gordon (2008): Floodplains: critically threatened ecosystems. – S. 45–61 in N.C. Polunin (Hrsg.): The State of the World’s Waters. – Cambridge University Press, Cambridge. – & J.A. Stanford (2002): Riverine flood plains: present state and future trends. – Environmental Conservation 29: 308–330.Autoren

Textautoren:
Glos, J., Rottenau, A.

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