Gefährdung und Schutz der Würfelnatter

Feb 6, 2009 by     Posted under: Reptil des Jahres 2009: Die Würfelnatter

Rote Listen und Schutzstatus

Die Würfelnatter gilt in Deutschland aufgrund ihrer wenigen isolierten Vor­kommen und der starken Beeinträch­tigung ihres Lebensraumes als „vom Aussterben bedroht“. Dieser höchste Gefährdungsstatus wurde ihr auch in der Roten Liste Rheinland-Pfalz zuge­ordnet. Im Freistaat Sachsen gilt die Art als „ausgestorben“. In allen übrigen Bundesländern bestanden historisch keine gesicherten Vorkommen, wes­halb sie aktuell nicht in deren Roten Listen geführt wird. In der Schweiz und Österreich wird die Würfelnatter aufgrund ihres kleinen natürlichen Ver­breitungsgebietes und der Verschlech­terung ihres Lebensraumes in die Kategorie „stark gefährdet“ („endange­red“) der Roten Liste eingestuft. In Deutschland gehört die Würfelnatter zu den nach dem Bundesnaturschutzgesetz streng geschützten Arten. In der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) der Europäischen Union gehört sie zu den im Anhang IV aufgeführten „streng zu schützenden Arten von gemeinschaft­lichem Interesse“ und genießt damit in allen EU-Staaten (u. a. Deutschland, Ös­terreich) den gleichen strengen Schutz. Aus dem Artikel 11 der FFH-Richtlinie ergibt sich die Verpflich­tung, den Erhaltungszu­stand der Art zu ermitteln und im Rahmen weiterer Bestandskontrollen zu überwachen (Monito­ring). Der nationale Be­richt, den Deutschland und Österreich 2007 an die EU ablieferten, ergab für die Würfelnatter einen „schlechten“ Erhaltungs­zustand und von daher gilt für diese Art in beiden Ländern ein „Verschlech­terungsverbot“, das insbesondere bei Ein­griffsvorhaben in deren Lebensräume besonders strikt zu beachten ist.
Mehr Informationen über die „Rote Liste“ finden Sie unter: Artenschutz

Gefährdungsfaktoren

Das Verfugen von Mauern zerstört wichtige Versteckplätze

Das Verfugen von Mauern zerstört wichtige Versteckplätze und Winterquartiere für Schlangen und andere Tiere; Foto: J. Hill

Die größte Gefährdung für mitteleuropäische Würfelnattern geht vom Menschen aus. Neben der direkten Schlangenverfolgung, die heute nur noch eine geringe Rolle spielt, nehmen besonders die Beeinträchtigung, Zerschneidung und Zerstörung der Lebensräume weiter zu. Dies betrifft großräumige Biotope wie auch Kleinstrukturen. Aus diesem Grund sind die hauptsächlichen Ursachen der historischen Bestandsrückgänge und auch der aktuellen Gefährdung in den viel­fältigen Eingriffen in ihre Habitate zu sehen. Be­sonders entscheidend sind dabei die folgenden Faktoren:

  • Der Bau, die zunehmende Nutzung und auch die Unterhaltung von Verkehrswegen (Straßen, Radwege, Bahnlinien) in unmit­telbarer Ufernähe können zum Erlöschen von Populationen führen, sowohl durch den Straßentod von Tieren als auch durch Lebensraumverlust und -zerschneidung.
  • Ausbaumaßnahmen der Flüsse wie z. B. Uferverbau, Begradigung, Vertiefung der Fahrrinne, Stauregulierung und das Verfugen von Stützmauern haben in der Vergangenheit zu starken Lebensraum­verlusten geführt und stellen auch heute noch ein hohes Gefährdungspotential dar. Besonders einschneidend ist die Zerstörung alter Ufermauern, die mit zahlreichen Zwischenräumen über Jahr­zehnte „ökologisch“ herangereift sind und dann durch „sterile“ Betonbauwerke ersetzt werden.
  • Die zunehmende Freizeitnutzung der Flüs­se und ihrer Ufer (Wassersport, Camping, Angeln, uferparallele Radwege) stellt eine direkte Gefährdung der Würfelnatter und ihrer Lebensräume dar.
Junge, überfahrene Würfelnatter

Junge, überfahrene Würfelnatter; Foto: S. Lenz

Bereits kleinräumige Eingriffe können iso­lierte und zum Teil individuenschwache Populationen zum Erlöschen bringen, da Ausweichlebensräume in erreichbarer Nähe fehlen. Dies gilt besonders für alle deutschen und einige österreichische Populationen (in Wien, Ober- und Niede­rösterreich). Zudem hat hier bereits die jährlich wechselnde Witterung Einfluss auf den Fortbe­stand der Populationen: Feuchte, kühle Sommer können zum Ausfall der Reproduktion führen, durch Hochwässer im Sommerhalbjahr können Gelege und auch Jungtiere verdriftet werden. Entlang den Flüssen einwandernde Neophyten (eingeschleppte Pflanzenarten) stellen eine starke Beeinträchtigung der Lebensraumqualität dar. Besonders verschiedene Hochstau­denarten wie das Indische Springkraut, der Topinambur und der japanische Staudenknöte­rich bilden undurchdringliche Dickichte bis zur Wasserlinie, die die natürliche Ufervegetation verdrängen und keine Sonnenplätze mehr übrig lassen.

Schutzmaßnahmen

Steinige Ufersäume bieten geeignete Lebensraumstrukturen

Steinige Ufersäume bieten geeignete Lebensraumstrukturen; Foto: K. Mebert

Zum Schutz der Würfelnatter als vom Aussterben bedrohte bzw. stark gefährdete Art in Deutschland, Österreich und der Schweiz sollten in den kommenden 10 Jahren auf der Grundlage bereits vorhandener oder zu erstellender Artenschutz- bzw. Artenhilfsprogramme die folgenden Maßnahmen geplant und umgesetzt werden. Aufgrund des „schlechten Er­haltungszustandes“ dieser Art in Deutschland und Österreich ergibt sich hieraus bereits eine unumgängliche Verpflichtung für Deutschland und das be­troffene Bundesland Rheinland-Pfalz sowie für Österreich, diesen Zustand in den nächsten Jahren deutlich zu verbessern. Alle intakten natürlichen (autochthonen) Populationen und ihre Lebensräume müssen unter Schutz gestellt werden. Bevorzugter Schutz und großräumige Pflegearbeiten gelten für die naturnahen Biotope und möglichen Flusskorridore zwischen den Populationen, um den An­sprüchen der Art zu genügen und ihr langfristiges Überleben zu sichern. Geeignete Sonnenplätze und Verstecke sollen durch Pflege und Berücksichtigung bei den Umgestaltungen von Uferpartien gefördert werden. Die Priorität muss dabei auf reptilien­gerechten, meist steinigen Kleinstrukturen wie Trockenmauern, Schotterbänken und Stein­haufen liegen (siehe Lebensräume). Der Verbuschung solcher Uferpartien muss durch regelmäßige Abhol­zungen (alle 3–5 Jahre) entgegengewirkt werden. Es müssen geeignete Strukturen zur Überwinterung und zur Eiabla­ge hergerichtet werden. Diese gehen mit den bereits genannten Kle­instrukturen einher, sollten aber hochwassersicher angelegt werden. Für die Eiablage eignen sich mit Holzresten und Ästen durchsetzte organische Haufen aus Laub- und Streugut, geschnittenem Gras, Sägemehl und Pferdemist mit einer Höhe von mindestens 2 m. Es empfiehlt sich die Anlage von mehreren Haufen in besonnter Lage, um eine Masseneiablage im Gebiet zu verhindern und gleichzeitig die Schäden durch Eierdiebe wie Marder, Fuchs und Wildschweine gering zu halten. Die Substrate sollten jährlich auf ihre Akzeptanz hin kontrolliert und bei Bedarf aufgefüllt werden. Uferparallele Straßen in Wanderkorridoren können durch Reptilien­sperranlagen sicherer werden. Da Winterquartiere und auch Son­nenplätze oftmals in der Straßenböschung liegen, bleiben sie den Tieren weiterhin erhalten. Es handelt sich dabei sich um Sperrein­richtungen aus Stahlblech mit einer Höhe von mindestens 40 cm, wie sie auch für Amphibienschutzanlagen verwendet werden. Sie sind an der Blechoberkante abgewinkelt sind, wobei dieser Überkletterungs­schutz zum Fluss hin ausgerichtet ist. Die Anlagen lassen sich an die gegebenen Geländeprofile anpassen und sowohl in einer Böschung, entlang einem Geländer oder auch quer durch einen Bach installie­ren. Allerdings ist eine regelmäßige Betreuung und Pflege erforder­lich, da die Barriere zur Straße nur dann ihre Wirkung erzielt, wenn sie regelmäßig auf Dichtigkeit überprüft und insbesondere im Sommer von überrankender Vegetation freigehalten wird. Wiederansiedlungsprojekte dürfen nur mit behördlicher Genehmi­gung und unter wissenschaftlicher Begleitung durchgeführt werden, da die Würfelnatter artenschutzrechtlichen Vorschriften unterliegt. Aussetzungen von Würfelnattern sollten generell unterlassen werden, da bei wilden, unkontrollierten Freisetzungen die Gefahr besteht, dass auch neue, gefährliche Krankheitserreger auch für andere einheimische Arten eingeführt werden. Für die Planung und Umsetzung von Projekten zum Schutze der Würfelnatter müssen unbe­dingt fachkundige Reptilienexperten einbezogen werden.

Das „Würfelnatter-Projekt“

Informationstafel zum Würfelnatterprojekt

Informationstafel an der Mosel; Foto: R. Podloucky

Die Würfelnatter ist innerhalb der deutschsprachigen Länder in Deutschland am stärksten ge­fährdet, weshalb dort auch bislang die intensivsten Schutzbemühungen unternommen wurden. Im Jahr 1980 wurde in Rheinland-Pfalz im Rahmen des Artenschutzprojektes „Würfelnatter“ mit der Erfassung aller noch bestehenden Vorkommen begonnen. Als Konsequenz wurden alle Gebiete mit Nachweisen dieser Art unter Naturschutz gestellt und für sämtliche Vorkommen Pflege- und Entwicklungspläne erarbeitet, die bis heute kontinuierlich umgesetzt werden. Von 1992 bis 1994 wurden durch RWE Energie-AG umfangreiche Untersuchungen entlang der mitteren Nahe finanziert und u. a. ein 200 m langer Uferabschnitt natur­nah umgestaltet. 1997 startete dann unter Trägerschaft der DGHT ein vierjähriges Erprobungs- und Ent­wicklungsprojekt des Bundesamtes für Naturschutz mit Beteiligung der Bundesländer Rheinland-Pfalz und Sachsen. In diesem Rahmen war es möglich, größere Flussabschnitte als Lebensraum für die Würfelnatter zu entwickeln und zu optimieren so wie neuartige Schutzme­thoden zu erproben. Die Hauptmaßnahmen stel­len sich wie folgt dar: An der Mosel wurde ein 300 m langer Uferab­schnitt, der ehemals als Campingplatz genutzt wurde und an das beste­hende Vorkommen an­grenzte, vollständig um­gestaltet. Auf dem vorher teilweise befestigten und steilufrigen Gelände entstanden weitläufige beruhigte Buchten, Kies- und Schotterinseln und flachgründige Ufer und damit ein neuer Lebens­raum für die Würfelnatter und andere typische Arten der Kiesauen. Entlang der unteren Lahn sollte die natürliche Ausbreitung über das historisch besiedelte Areal wieder ermöglicht werden. Dazu wurden sechs Standorte, die als Trittsteinbiotope und zum Teil auch als Dauerlebensräume dienen sollen, entlang einem 18 km langen Flussabschnitt durch Pflege- und wasserbauliche Maßnahmen optimiert. An zwei Stellen wurden je ca. 60 aus der bestehenden Population nachgezüchtete oder umgesetzte Jungtiere freigesetzt. In Meißen an der Elbe wurde ein Wiederan­siedlungsversuch am ehemals besiedelten Standort begonnen. Im Vorfeld wurden alle Le­bensraumfaktoren und -strukturen untersucht, bewertet und erforderli­chenfalls optimiert. In den Jahren 1999 und 2000 wurden je 75 nachgezüch­tete Jungtiere ausgesetzt, die vom selben Flusssy­stem in der Tschechischen Republik stammten. An Elbe und Mosel wur­den Reptilienabweissy­steme jeweils über ca. 500 m entlang von viel befahrenen, ufernahen Straßen installiert. Alle Maßnahmen wurden durch eine intensive und vielschichtige Öffentlich­keitsarbeit begleitet, die sowohl Infomaterialien, Internet-Präsentation und Pressearbeit als auch Vortragsveranstal­tungen, eine Schauvitrine und ein Freilandterrarium beinhaltete. Umweltdidaktische Aspekte wurden besonders berücksichtigt. An allen Standorten entstand eine informative und besucherlenkende Beschilderung. Seit 2006 wurde im Rahmen des Artenschutzprojektes Würfelnatter für alle rheinland-pfälzischen Populationen ein Dauermonitoring eingerichtet, um die Entwicklung der Populationen zeitnah zu kontrollieren und kurzfri­stig auf Gefährdungen und Eingriffe, aber z. B.  auch auf eine Verlage­rung der Würfelnatter-Aktivitäten reagieren zu können.

Textquelle: Aktionsbroschüre 2009: Die Würfelnatter (download)

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