Die Zauneidechse in der Dölauer Heide
Projektdurchführung: Maxim Ludwig & Wolf-Rüdiger Grosse
Fördersumme: 1.500 EuroOriginaltitel:
Populationsgenetische Untersuchungen zu Flächennutzung, Verwandtschaftsverhältnis und Isolation einer Population der Zauneidechse (Lacerta agilis) am Nordwestrand der Dölauer Heide (Halle/Sachsen-Anhalt)
Kurzfassung:
Ein Schwerpunkt der Verbreitung der Zauneidechse in Halle liegt am Rande der Dölauer Heide (Buschendorf 1984, Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 1998, Meyer et al. 2004). Während die Zahl der Vorkommen der Zauneidechse im gesamten Stadtgebiet stark rückläufig ist (Grosse 2008), hat sich in den letzten Jahren die Population am Südwestrand der Dölauer Heide auffällig vermehrt. Ähnliche Entwicklungen zeigten sich außerhalb des Stadtgebietes im Bereich der Porphyrkuppenlandschaft am nördlichen Saaleufer bei Brachwitz und Döblitz. Unsere Untersuchungen zur Verbreitung der Art im Raum Halle wiesen beträchtliche Lücken zwischen den Vorkommen aus. Die Isolation der Vorkommen (Saale als Ausbreitungsbarriere) konnte auch durch die 1994 durchgeführten Untersuchungen mittels unspezifischer genetischer Analysen (RAPD-Verfahren) belegt werden (Amler et al. 1999). Nun soll nun mit Hilfe moderner molekulargenetischer Untersuchungen geprüft werden, wie die Verwandtschaftsstruktur in den Vorkommen am Rande der Dölauer Heide und in der Porphyrkuppenlandschaft auf jeweils einer ausgewählten Kleinfläche ist (Vaterschaftstest). Die genetischen Untersuchungen erfolgen mittels zauneidechsentypischen Mikrosatellitenmarkern nach der Methodik von Gullberg et al. (1997), entsprechende Standards in der Auswertung und zur Beurteilung der Fragmentation wurden an Waldeidechsen (Zootoca vivivpara) in Hofmann et al. (2005) veröffentlicht.
Mittels Fang-Wiederfang-Methode soll abgeschätzt werden, wie groß die Populationen ist, ihr Reproduktionspotenzial und wie weit sich die Tiere vom Geburtsort entfernen (Märtens & Grosse 1996)? Ist der Anstieg der Individuenzahlen auf Einwanderer zurückzuführen? Wie groß ist der Grad der Isolation zu benachbarten Populationen und wie wirkt sich Saale die als Barriere aus? Als Außengruppe zur Abschätzung und Bewertung der genetischen Distanzen wird dazu eine kleine Population im Bereich eines Bahndammes von Leipzig-Wahren untersucht. Das Ergebnis der Untersuchungen bringt für den praktischen Naturschutz wichtige Erkenntnisse. Welche Teilhabitate sind zu schützen, zu sanieren oder zu vernetzen? Wie groß ist die trennende Wirkung von Flüssen auf Zauneidechsenpopulationen? Welche Wirkungen haben landschaftliche Veränderungen auf die Vorkommen? Dabei ist neuerdings großes Interesse an den Untersuchungen aufgekommen, da in einem Teilhabitat unserer Untersuchungsfläche die neue Autobahntrasse der Westumfahrung von Halle (A 71) verlaufen soll. Ein wichtiges Ziel des Naturschutzes in Deutschland ist die Erhaltung typischer Tier- und Pflanzenarten der Kulturlandschaft. Das Zusammenspiel der Faktoren, die den Bestand und die Entwicklung der hier lebenden Arten bestimmen, ist bisher nur unzureichend bekannt. Der Kenntnisstand über unsere einheimischen Reptilien ist im Allgemeinen eher unzureichend und lückenhaft (Schiemenz & Günther 1994). Begründet ist das meist in der eher versteckten Lebensweise, die eine gezielte Nachsuche erschwert. Aus diesen Gründen gehen viele Angaben in Verbreitungskarten auf Zufallsfunde und „Nebenbeobachtungen“ zurück. Im vorliegenden Fall konnte in den naturschutzfachlichen Praktika 2005 und 2006 des Institutes für Biologie der Universität Halle ein Massenauftreten von Zauneidechsen in der Kulturlandschaft am Rande der Dölauer Heide in Halle beobachtet werden, was so nicht bekannt war (Grosse & Meyer 1998, Meyer et al. 2004). Im Umfeld der Population sind in den letzten Jahrzehnten keine auffälligen sichtbaren durch den Menschen verursachten Veränderungen eingetreten. Das betrifft die Dölauer Heide als Landschaftsschutzgebiet, das ackerbaulich genutzte Umfeld und auch die städtischen Siedlungen am Heiderand wie anderseits der Saale die Kulturlandschaft der Porphyrkuppen (Grosse & Meyer 1998, Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt 1998). Aus populationsbiologischer Sicht können als Ursachen hohe Vermehrungsraten, geringere Mortalität oder Migrationen in Betracht gezogen werden (Amler et al. 1999, Hofmann et al. 2005). Die Wanderung von Individuen zwischen den Populationen ist in zweierlei Hinsicht interessant: zum einen können Zu- und Abwanderung die Bestandsgröße von Populationen und damit ihre Demographie erheblich beeinflussen, zum anderen sind die Migranten entscheidend für den genetischen Austausch. Ob Migranten tatsächlich genetische Information in eine Population eingetragen haben, sich also dort erfolgreich reproduziert haben, kann ausschließlich durch direkte Untersuchungen des Verwandtschaftsverhältnisses mittels genetischer Marker nachgewiesen werden. Heute unterscheidet man zwischen Ausbreitung/Einwanderung von Jungtieren (natal dispersal) und Abwanderung/Einwanderung von Adulti (breeding dispersal). Beides soll auf der Hauptuntersuchungsfläche in der Dölauer Heide untersucht werden. Die Untersuchungen sind bewusst auf eine Art gerichtet, die in Sachsen Anhalt häufig ist (Rote Liste LSA Kategorie 3, Buschendorf & Meyer 2004, Meyer et al. 2004). Man kann problemloser viele Daten sammeln. Die meisten Studien und teilweise intensiv geförderten Projekte befassen sich heut zu Tage mit einer Tierart, wenn eine Bestandsgefährdung zu beobachten ist (Amler et al. 1999). Leider ist das Dokumentieren des Aussterbens häufiger als der Erkenntnisgewinn, warum es einer Art gelingt, sich erfolgreich in der Umwelt zu behaupten. Praktische Anwendungen liegen im Bereich des regionalen Naturschutzes, der praktischen Eingriffsregelungen bei der Planung der Autobahntrasse der A 71 und können Bestandteil der europaweiten Schutzmaßnahmen (EU Standing Committee) sein (Märtens et al. 1997, Paul 2006). Die notwendigen Naturschutzfachlichen Genehmigungen des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt, des Regierungspräsidiums Leipzig sowie die Genehmigungen zur Durchführung von Tierversuchen der Länder Sachsen und Sachsen-Anhalt liegen vor und sind von der Ethik-Kommission der Martin-Luther-Universität zum Tierschutz positiv beurteilt worden.
Literatur:
- Amler, K., Bahl, A., Henle, K., Kaule, G., Poschlod, P. & J. Settele: (1999): Populationsbiologie in der Naturschutzpraxis. Isolation, Flächenbedarf und Biotopansprüche von Pflanzen und Tieren. – (Verlag E. Ulmer) Stuttgart.
- Buschendorf, J. (1984): Kriechtiere und Lurche des Bezirkes Halle. Darstellung des gegenwärtigen Kenntnisstandes der Verbreitung. – Naturschutzarbeit Bezirk Halle-Magdeburg 21 (1): 3-28.
- Buschendorf, J. & F. Meyer (2004): Rote Liste der gefährdeten Lurche und Kriechtiere. – S. 195-205. In: Meyer, F., Buschendorf, J., Zuppke, U., Braumann, F., Schädler, M. & W.-R. Grosse (Hrsg.) (2004): Die Lurche und Kriechtiere Sachsen-Anhalts. Verbreitung, Ökologie, Gefährdung und Schutz. – Bielefeld (Laurenti).
- Grosse, W.-R (2008): Verbreitung der Kriechtiere (Reptilia) in der Stadt Halle /Saale (Sachsen-Anhalt). – Jahresschrift für Feldherpetologie und Ichthyofaunistik in Sachsen 10: 35-57.
- Grosse, W.-R. & F. Meyer (1998) : Herpetofauna (Amphibia et Reptilia). – Calendula (Halle/Saale), 1. Sonderheft: 119-124.
- Gullberg, A., Tegelström, H. & M. Olsson (1997): Microsattellites in the Sand Lizard (Lacerta agilis): Description, Variation, Inheritance and Applicability. – Biochem. Gene (7/8): 281-295.
- Hofmann, S., Grosse, W.-R. & K. Henle (2005): Zur Dispersion und Populationsstruktur der Waldeidechse (Zootoca vivipara) in der naturnahen Landschaft. – Zeitschrift für Feldherpetologie 12: 177-196.
- Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Lau) (Hrsg.) (1998): Arten- und Biotopschutzprogramm der Stadt Halle. – Eigenverlag Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Halle.
- Märtens, B. & W.-R. Grosse (1996): Fotografische Wiedererkennung bei Zauneidechsen (Lacerta agilis, L. 1758) – Adulti und Juvenes. – Die Eidechse 7 (H. 17): 1-6.
- Märtens, B., Henle, K. & W.-R. Grosse (1997): Quantifizierung der Habitatqualität für Eidechsen am Beispiel der Zauneidechse (Lacerta agilis Linnaeus, 1758).- Mertensiella: 221-246.- in K.
- Henle & M. Veith (Hrsg): Naturschutzrelevante Methoden der Feldherpetologie. – Mertensiella 7.
- Meyer, F., Buschendorf, J., Zuppke, U., Braumann, F., Schädler, M. & W.-R. Grosse (Hrsg.) (2004): Die Lurche und Kriechtiere Sachsen-Anhalts.Verbreitung, Ökologie, Gefährdung und Schutz. – Bielefeld (Laurenti).
- Paul, E. (2006): Action plan for the conservation of the Sand Lizard (Lacerta agilis) in Nothwest Europe. – Convention on the Conservation of European Wildlife and Natural Habitats, Stasbourg.
- Schiemenz, H. & R. Günther (1994): Verbreitungsatlas der Amphibien und Reptilien Ostdeutschlands (Gebiet der ehemaligen DDR). – Fischer, Jena.
Autoren: Maxim Ludwig & Wolf-Rüdiger Grosse
Dieser Artikel wurde veröffentlicht in der DGHT-Mitgliederzeitschrift: elaphe 4-2009
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