Der Chytrid-Pilz beim Alpensalamander

Dez. 18, 2012 by     Posted under: Geförderte Projekte 2009

Projektdurchführung: Dennis Rödder, Benedikt R. Schmidt und Marc Sztatecsny
Fördersumme: 2.400 EuroOriginaltitel:

Je höher desto sicherer? Einfluss bioklimatischer Faktoren auf Chytridiomykose? – Befall beim Alpensalamander

Der Chytridpilz, Batrachochytrium dendrobatidis (Bd), ist ein Pathogen, das Chytridiomykose bei Amphibien verursacht. Diese Pilzerkrankung wurde bereits mehrfach mit Massensterbeereignissen, drastischen Populationsrückgängen und dem Aussterben  einzelner Amphibienarten in Verbindung gebracht (Skerratt et al. 2007, Lips et al. 2008, Wake & Vredenburg 2008). Amphibien montaner Regionen scheinen besonders von der Krankheit betroffen zu sein, so zum Beispiel der Feuersalamander (Salamandra salamandra) zentralspanischer Gebirge (Bosch et al. 2007) sowie eine Vielzahl von Atelopus-Arten in den Anden Südamerikas (Lips et al. 2008). Insbesondere Arten mit kleinen Arealen und geringer Fekundität sind anfällig für den Befall mit Bd (Bielby et al. 2008), ob jedoch Hochgebirgstaxa in den Alpen betroffen sind, ist bislang aufgrund mangelnder Datengrundlage unklar. Positive Bd-Befunde sind bislang auf tiefere Lagen der Schweiz beschränkt (B. R. Schmidt und U. Tobler, unpubl. Daten). Falls in den Alpen ähnliche Populationszusammenbrüche wie in den spanischen Hochgebirgen auftreten sollten, könnte der Alpensalamander (Salamandra atra) als Endemit – und lebendgebärende Art mit geringer Vermehrungsrate – besonders gefährdet sein.

Studienobjekt, Salamandra atra; Foto: J. Dambach

Studienobjekt, Salamandra atra; Foto: J. Dambach

Bereits mehrfach wurde ein enger Zusammenhang zwischen Klimafaktoren und dem Auftreten bzw. dem Ausbruch der Chytridiomykose vermutet (z.B. Kriger und Hero, 2006, Bosch et al. 2007, Kriger et al. 2007, Pounds et al. 2006). Unser Wissen über die Biologie des Erregers, seine potentielle Ausbreitung und seine Interaktion mit den Wirten ist jedoch immer noch erschreckend gering. Kriger & Hero (2006) und Kriger et al. (2007) zeigten erstmals mögliche Abhängigkeiten zwischen Wirt und Pathogen in Bezug auf klimatische Bedingungen – insbesondere der Temperatur – sowie Infektionsstärke und -häufigkeit mit Bd. Ein Modell der Chytrid-Vorkommenswahrscheinlichkeit abgeleitet aus der klimatischen Nische von Bd (Lötters et al. 2008) lässt eine Abnahme der Infektionsstärke und -häufigkeit mit zunehmender Höhe im Alpenraum vermuten. In wiefern Hochgebirgstaxa hier tatsächlich vor Bd geschützt sind, bleibt jedoch noch zu evaluieren. Poikilotherme Tiere, die pessimalen Klimabedingungen ausgesetzt sind, gelten als anfällig gegenüber Krankheiten (Kagami et al. 2007, Reading 2007). Auf der anderen Seite weisen Pathogene unter für sie pessimalen Bedingungen geringere Wachstumsraten auf (Piotrowski et al. 2004). Die Konsequenz daraus ist, dass Infektionsstärke und -häufigkeit mit Bd innerhalb einer Population sowohl von den physiologischen Toleranzen und Optima des Pathogens, als auch denen des Wirtes abhängen können, welche maßgeblich vom regionalen Klima beeinflusst werden. Dies konnten wir bereits an einer australischen Litoria-Art zeigen (Rödder et al. 2008). Für den Alpensalamander liegen bislang keine Informationen über mögliche Infektionen mit Bd vor, jedoch entspricht er in hohem Maße dem Risikoprofil von Bielby et al. (2008). Der Alpensalamander erscheint daher gut geeignet, um den Einfluss bioklimatischer Faktoren auf Infekionsstärke und -häufigkeit mit Bd zu untersuchen: Er bewohnt Höhenlagen von 400 m bis über 2000 m, lokal sogar bis 2800 m und das lokale Klima in den Alpen weist bedingt durch das starke Relief steile Gradienten auf. So verringert sich die Jahresdurchschnittstemperatur um 0,55 °C pro 100 Höhenmeter. Auch die Maximum- und Minimum-Temperaturen sowie die Anzahl der Frosttage weisen ähnliche Gradienten auf, die eine mögliche Infektionsstärke und -häufigkeit mit Bd beim Alpensalamanders beeinflussen können (Cabela et al. 2001).

Ziel des Projektes
Die Zusammenhänge zwischen klimatischen Faktoren und der Infektionsstärke und –häufigkeit mit Bd sind bislang noch unzureichend erforscht (Lötters et al. 2008, Rödder et al. 2008). Ziel des hier vorgeschlagenen Projektes ist es, diese für den Alpensalamanders (Salamandra atra) zu beleuchten. Hierzu möchten wir die Infektionsstärke und -häufigkeit mit Bd beim Alpensalamander entlang von Höhengradienten in Deutschland, Österreich und der Schweiz untersuchen. Dies wird es uns erlauben, (i) bei einer in den Alpen endemischen Art erste Daten zur Infektion mit Bd zu erhalten und damit die Gefährdung dieser Art durch Bd erstmals abzuschätzen, (ii) die Voraussagen der Verbreitungsmodelle, welche die bioklimatischen Nische von Bd beschreiben, zu testen, (iii) und den Einfluss der klimatischen Nischen von Bd und dem Alpensalamander auf Infektionsstärke und -häufigkeit zu beleuchten. Ein zuverlässiges Modell über die potentielle Ausbreitung von Bd wäre insbesondere angesichts der globalen Erwärmung nützlich. Die Erwärmung des Klimas im Alpenraum seit den 1980er Jahren entspricht dem globalen Verlauf, kann jedoch lokal bis fünffach stärker sein (Beniston et al. 1997). Starke Erwärmung könnte eine erhebliche Auswirkung auf die Ausbreitung von Pathogenen haben und folglich für den Schutz alpiner Amphibienarten in der Zukunft eine große Rolle spielen.

Eines der Untersuchungsgebiete nähe Pfronten; Foto: J. Dambach

Eines der Untersuchungsgebiete nähe Pfronten; Foto: J. Dambach

Geplante Vorgehensweise
Datenerhebung im Feld:
Bislang sind kaum Angaben über die Verbreitung des Chytridpilzes in Höhenlagen der Alpen verfügbar (B. R. Schmidt & U. Tobler, unpubl. Daten), daher sollen während des Projektes Hautabstriche in drei Gebieten in Bayern, Österreich und der Schweiz über ein breites Höhenspektrum gesammelt und ausgewertet werden. Die Methode ist nicht invasiv und daher schonend für die Tiere. Da der Anteil betroffener Individuen und die Intensität der Infektion jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen sein kann (Kriger & Hero 2006), wird angestrebt, alle Proben innerhalb eines Monats zu sammeln, um jahreszeitliche Effekte zu minimieren. Angestrebt werden hierbei die Monate Juli und August, da hier erfahrungsgemäß die Alpensalamander in allen Höhenlagen aktiv sind. An jedem Höhengradienten sollen drei Stationen entsprechend der kollinen, montanen und subalpinen Höhenstufe beprobt werden. Die kolline Station entspricht den Tallagen von ca. 400-800 m, die montane Station liegt zwischen 800 und 1300 m und die höchste Sammelstation reicht bis zur Verbreitungsgrenze (in der Regel ca. 2000 m). Pro Station sollen 20 Individuen beprobt werden, die während einer Begehung bei feucht-regnerischem Wetter gefangen werden. Beprobung und Hygiene Zur Untersuchung werden die Alpensalamander mit der Hand gefangen und nur mit Einmal-Untersuchungshandschuhen berührt. Die Beprobung mit Hautabstrichen (Dryswabs, Medical Wire & Equipment) konzentriert sich vor allem auf die Ventralseite und die Füße, da diese Bereiche mit erhöhter Wahrscheinlichkeit von Bd befallen werden. Mit den Abstrichen werden Hautpartikel entfernt, die Zoosporangien und Zoosporen von Bd enthalten können. Die großflächigere Beprobung über mehrere Körperteile erhöht die Wahrscheinlichkeit des Nachweises von Bd und ist für die Tiere nicht problematisch. Nach Abschluss der Arbeiten an einem Standort werden die Schuhe und alle mit den Tieren in Berührung kommenden Geräte mit Wasser gereinigt und anschließend mit dem Desinfektionsmittel Virkon® desinfiziert (Dejean et al. 2007), um eine Verbreitung der Chytridiomykose im Zuge der Erhebung zu unterbinden. Molekulargenetische Analyse im Labor Die Auswertung der gesammelten Proben soll anhand von quantitativer Real-time PCR (Boyle et al. 2004, Kriger et al. 2006) am Institut für Biogeographie an der Universität Trier (Arbeitsgruppe Prof. Dr. M. Veith) durchgeführt werden. Die  hierdurch gewonnenen Daten erlauben quantitative Vergleiche zwischen der Infektionsstärke und –häufigkeit und den klimatischen Nischen der Alpensalamander und des Chytridpilzes an den untersuchten Stellen. Die real-time PCR ist die verlässlichste Methode, um Bd nachzuweisen.

Klimadaten und Modellierung:
Wie gut die klimatischen Bedingungen an einem Ort für eine bestimmte Art geeignet sind, lässt sich mit Climate Envelope Models (CEMs) untersuchen (Heikkinen et al. 2006, Phillips et al. 2006). Solche Ansätze basieren auf der Annahme, dass die geographische Verbreitung einer Art durch ihre artspezifische klimatische Nische bedingt wird und dass diese Nische über evolutionäre Zeiträume eher konservativ ist (z.B. Wiens & Graham 2005). Ein starker Zusammenhang zwischen klimatischen Faktoren und der geographischen Verbreitung ist insbesondere bei Gebirgsarten wie dem Alpensalamander zu erwarten. Wie zum Beispiel bei Rödder et al. (2008), soll die biogeographische Modellierung nach dem Prinzip der maximalen Entropie erfolgen (vgl. Phillips et al. 2004, 2006), um die klimatischen Nischen von Bd und S. atra quantitativ an den beprobten Stellen zu vergleichen. Als Software wird MaxEnt, ein Java-basiertes, selbst-lernendes Programm, verwendet, das anhand von Umweltparametern und Fundortangaben einer Art deren maximale Ausbreitung berechnet. Das Ergebnis ist eine *.asc-Datei die sich mittels GIS graphisch als Karte verschiedener Aufenthaltswahrscheinlichkeiten darstellen lässt. Des Weiteren lässt sich mit MaxEnt der Einfluss jedes Umweltparameters quantifizieren.

Vorarbeiten
Die Vorarbeiten erstrecken sich auf bereits durchgeführte Chytrid Surveys in der Schweiz durch den Zweitautor, Berechnungen der potentiellen Verbreitung des Erregers durch den Erstautor, sowie intensiver Literaturrecherche. Kooperationen bestehen mit den Universitäten Zürich und Wien sowie der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (KARCH). Entsprechende Genehmigungen sind bereits bzw. werden noch über die regional zuständigen Naturschutzfachstellen beantragt.

Literatur

  • Beniston, M., H.F. Diaz & R.S. Bradley (1997): Climatic change at high elevation sites: an overview. − Climatic Change, 36: 233–251.
  • Bielby, J., A.A. Cunningham, T.W.J. Garner & A. Purvis (2008): Predicting susceptibility to future declines in the world’s frogs. − Conserv. Let., 1: 82-90.
  • Bosch, J., L.M. Carrascal, L. Durán, S. Walker & M.C. Fisher (2007): Climate change and outbreaks of amphibian chytridiomycosis in a montane area of Central Spain; is there a link? − Proceedings of the Royal Society B., 274: 253-260.
  • Boyle, D.G., D.B. Boyle, V. Olsen, J.A.T. Morgan, & A.D. Hyatt (2004): Rapid quantitative detection of chytridiomycosis (Batrachochytrium dendrobatidis) in amphibian samples using real-time Taqman PCR assay. − Diseases of Aquatic Organisms, 60: 141–148.
  • Cabela A., H. Grillitsch & F. Tiedemann (2001): Atlas zur Verbreitung und Ökologie der Amphibien und Reptilien in Österreich. – Umweltbundesamt, Wien.
  • Dejean, T., C. Miaud & M. Ouellet (2007): Proposition d’un protocole d’hygiène pour réduire les risques de dissémination d’agents infectieux et arasitaires chez les amphibiens lors d’intervention sur le terrain. − Bulletin de la Société Herpétologique de France, 122, 40-48.
  • Heikkinen, R.K., M. Luoto, M.B. Araújo, R. Virkkala, W. Thuiller & M.T. Sykes (2006):Methods and uncertainties in bioclimatic envelope modelling under climate change. − Progress in Physical Geography, 30: 751-777.
  • Kagami, M., A. de Bruin, B.W. Ibelings & E. Van Donk (2007): Parasitic chytrids: their effects on phytoplankton communities and food-web dynamics. − Hydrobiology, 578: 113-129.
  • Kriger, K.M., & J.-M. Hero (2006): Large-scale seasonal variation in the prevalence and severity of chytridiomycosis. − Journal of Zoology, 271: 352-359.
  • Kriger, K.M., J.-M. Hero & K.J. Ashton (2006): Cost efficiency in the detection of chytridiomycosis using PCR assay. − Diseases of Aquatic Organisms, 71: 149–154.
  • Kriger, K.M., F. Peregolou & J.-M. Hero (2007): Latitudinal variation in the prevalence and intensity of chytrid (Batrachochytrium dendrobatidis) infection in eastern Australia. − Conservation Biology, 21: 1280-1290.
  • Lips, K.R., J. Diffendorfer, J.R. Mendelson III & M.W. Sears (2008): Riding the wave: reconciling the roles of disease and climate change in amphibian declines. − PLoS Biology, 6: 441-454.
  • Lötters, S., D. Rödder, J. Bielby, J. Bosch, T.J.W. Garner, J. Kielgast, S. Schmidtlein, M. Veith, S. Walker, C. Weldon, D.M. Aanensen & M.C. Fisher (2008): Meeting the challenge of conserving Madagascar’s megadiverse amphibians: addition of a risk-assessment for the chytrid fungus. − PLoS Biology, 6.
  • Piotrowski, J.S., S.L. Annis & J.E. Longcore (2004): Physiology of Batrachochytrium dendrobatidis, a chytrid pathogen of amphibians. − Mycologia, 96: 9–15.
  • Phillips, S.J., R.P. Anderson & R.E. Schapire (2006): Maximum entropy modeling of species geographic distributions. − Ecological Modelling, 190: 231-259.
  • Pounds, J.A., M.R. Bustamante, L.A. Coloma, J.A. Consuegra, M.P.L. Fogden, P.N. Foster, E. La Marca, K.L. Masters, A. Merino-Viteri, R. Puschendorf, S.R. Ron, G.A. Sánchez-Azofeifa, C.J. Still & B.E. Young (2006): Widespread amphibian extinctions from epidemic disease driven by global warming. − Nature, 39: 161–167.
  • Reading, C.J. (2007): Linking global warming to amphibian declines through its effects on female body condition and survivorship. − Oecologia, 151: 125-131.
  • Rödder, D., M. Veith & S. Lötters (2008): Environmental gradients explaining intensity of Chytrid (Batrachochytrium dendrobatidis) infections: the host’s perspective. − Animal Conservation, 11: 513-517.
  • Skerratt, L.F., L. Berger, R. Speare, S. Cashins, K.R. McDonald, A.D. Phillott, H.B. Hines & N. Kenyon (2007): Spread of chytridiomycosis has caused the rapid global decline and extinction of frogs. − EcoHealth, 4: 125-134.
  • Wake, D.B., & V.T. Vredenburg (2008): Are we in the midst of the sixth mass extinction? A review from the world of amphibians. − PNAS, 105: 11466-11473.
  • Wiens, J.J. & C.H. Graham (2005): Niche conservatism: integrating evolution, ecology, and conservation biology. − Annual Reviews in Ecology and Systematics, 36: 519-539.

Autoren: Dennis Rödder, Benedikt R. Schmidt und Marc Sztatecsny

Dieser Artikel wurde veröffentlicht in der DGHT-Mitgliederzeitschrift: elaphe 3-2009

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