Gefährdung und Schutz der Schlingnatter
Innerhalb ihres Verbreitungsareals unterscheidet sich die Bestandssituation der Schlingnatter beträchtlich.
Betrachtet man das riesige Verbreitungsgebiet der Schlingnatter in Europa und dem angrenzenden Asien, kann von einer Gefährdung der Art derzeit nicht ausgegangen werden. Sie wird daher auch nicht in der europäischen Roten Liste unter den gefährdeten Arten aufgeführt.
Anders stellt sich die Situation nördlich der Alpen dar. Hier gilt die Schlingnatter in den meisten Bundesländern Deutschlands beziehungsweise den angrenzenden Nachbarstaaten als gefährdet bis stark gefährdet.
Während sie in den nördlichen Bundesländern, insbesondere an der nordwestlichen Arealgrenze (Niedersachsen, Schleswig-Holstein) mit ihren zum Teil stark verinselten Vorkommen beziehungsweise deutlichen Arealverlusten als „stark gefährdet“ bzw. sogar „vom Aussterben bedroht“ eingestuft wird, gilt sie in den südlichen Bundesländern aufgrund ihrer geschlosseneren Verbreitung überwiegend nur als „gefährdet“.
Daten zur Bestandsentwicklung der Art liegen kaum vor. Bedingt durch den starken Verlust ursprünglicher Lebensräume ist bei der Schlingnatter langfristig ein starker Rückgang festzustellen. Durch die Rebflurbereinigung in Südwestdeutschland wurden beispielsweise Hunderte Kilometer Trockenmauern zerstört, verfugt oder durch Betonmauern ersetzt. Trotz eindeutiger Gesetze zum Schutz der „streng geschützten Arten“ werden noch täglich Lebensräume durch Abtorfung, Straßenbau, Unterhaltungsmaßnahmen der Bahn und andere Eingriffsvorhaben zerstört oder zerschnitten. Von daher sind die Zukunftsaussichten für die Schlingnatter nicht sehr günstig. Infolgedessen wird die Art in der Roten Liste Deutschlands in der Kategorie „gefährdet“ (3) aufgeführt. In Deutschland wird der Erhaltungszustand im Sinne der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Richtlinie) sowohl in der Atlantischen als auch Kontinentalen Biogeographischen Region als „unzureichend“ bewertet (Nationaler Bericht 2007 an die EU).
Nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG § 44) gilt die Schlingnatter als „streng geschützt“, das heißt, es dürfen weder Individuen getötet noch Fortpflanzungs- oder Ruhestätten (z. B. Winterquartiere) zerstört werden sowie keine erheblichen Beeinträchtigungen der lokalen Population erfolgen. Ausnahmen dürfen nur dann erteilt werden, wenn nach sorgfältiger Prüfung (spezielle artenschutzrechtliche Prüfung = saP) die ökologische Funktion der betroffenen Population im räumlichen Zusammenhang weiterhin sichergestellt werden kann. Dies kann nur im Einzelfall durch fachlich geeignete vorgezogene Artenschutzmaßnahmen (CEF-Maßnahmen) erfolgen. Einfache Ersatzmaßnahmen oder gar Ersatzzahlungen sind in diesem Zusammenhang keine zulässige Kompensation. Auch im europäischen Raum ist die Art im Anhang IV der FFH-Richtlinie der EU als „streng zu schützende Art von gemeinschaftlichem Interesse“ bzw. im Anhang II der Berner Konvention als „streng geschützt“ aufgeführt.
Gefährdungsursachen & Schutzmaßnahmen
Nachstehend finden Sie eine ausführliche Auflistung von Faktoren und Eingriffen in die Landschaft, die entweder zur Vernichtung oder Beeinträchtigung der Lebensräume oder zu hohen Tierverlusten insbesondere während der Winterstarre oder an Sonnenplätzen führen. So zum Beispiel Aufforstung, Abtorfung von Hochmooren, Flurbereinigungen, Verbuschung sonnenexponierter Freiflächen, oder die Zerschneidung von Lebensräumen durch Straßen.
Zusätzlich werden Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen für die Schlingnatter aufgeführt. Voraussetzung für den Schutz der Schlingnatter ist die Erfassung der noch vorhandenen Bestände sowie potenzieller Lebensräume und Vernetzungskorridore.
Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen für die Schlingnatter müssen zunächst auf die Erhaltung und Optimierung der noch vorhandenen Lebensräume abzielen. Dabei ist zu beachten, dass ein mosaikartiger Strukturreichtum belassen beziehungsweise geschaffen wird, der insbesondere auch die Sonnen- und Wärmebedürftigkeit der Natter berücksichtigt. Besonders wichtig ist die Fortführung der bisherigen Aufklärungsarbeit zum Schutz aller heimischen Schlangen und Vermittlung von Unterscheidungsmerkmalen in Schulen, Medien oder durch gezielte Broschüren und Faltblätter (dazu dient die diesjährige Aktion).
Sämtliche Information können Sie auch in der diesjährigen Aktionsbroschüre zum „Reptil des Jahres: Die Schlingnatter“ nachlesen.
Gefährdungsursachen
Im Folgenden werden Gefährdungsursachen, die entweder zur Vernichtung oder Beeinträchtigung der Lebensräume oder zu hohen Tierverlusten insbesondere während der Winterstarre oder an Sonnenplätzen führen, aufgelistet:
- Aufforstung von Waldlichtungen auf nährstoffarmen Standorten, unter Umständen mit vorheriger Bearbeitung und Einebnung der Flächen mit schwerem Gerät, Verlust von Kleinstrukturen; Unterpflanzung in lichten Wäldern (z. B. Jungfichten unter Kiefern)
- Aufforstung bis unmittelbar an Wegränder (Beschattung, Verlust von linearen Habitaten und Wanderkorridoren) sowie Zerstörung von Randzonen entlang sonnenexponierter Waldsäume durch landwirtschaftliche Nutzung oder Aufforstung
- Beendigung der Kahlschlagwirtschaft in den Wäldern
- Aufforstung oder Umwandlung von Moorrandbereichen, Heiden, Mager- und Halbtrockenrasen zu Grün- beziehungsweise Ackerland
- Verfüllung beziehungsweise Rekultivierung von Abgrabungen (z. B. Kies-, Sandgruben, Steinbrüche) nach Nutzungsaufgabe, Wiederherstellung der landwirtschaftlichen Nutzung, Aufforstung beziehungsweise Verbuschung
- Abtorfung von Hochmooren durch industrielle Torfgewinnung (maschinelles Herausreißen von Büschen und Bäumen während der Wintermonate, Abfräsen der obersten Vegetationsschicht, Torfstich, tiefe Schlitzgräben als Fallen)
- Weinberg-Flurbereinigungen, unter anderem Zerstören/Verfugen von Trockenmauern, Wegfall von Feldwegen
- Beseitigung als Unterschlupf benötigter Strukturen (Steinhaufen und -riegel, liegendes Totholz, Holzhaufen oder -stapel, Hecken)
- Beseitigung von Saum- und Kleinstrukturen wie besonnte Böschungen, Feldhecken, Gebüsche, Weg- und Feldraine, Brachflächen
- Beeinträchtigung oder Vergiftung der Nahrungstiere durch Herbizid- beziehungsweise Insektizid-Einsatz, Verringerung des Nahrungsangebots
- Zunehmende, durch den Stickstoffeintrag aus der Luft verstärkte Eutrophierung und Verbuschung der Lebensräume (z. B. ehemalige Bahntrassen, Leitungstrassen, Abgrabungen, entwässerte Moore, Heiden, Mager- und Trockenrasen, Felsbereiche, aufgegebene militärische Übungsplätze), Verschlechterung der Habitatqualität durch dichtere, schattenwerfende Vegetation (natürliche Sukzession)
- Verlust sonnenexponierter Freiflächen durch Nutzungsaufgabe oder -änderung auf Grenzertragsböden (Mager-, Trockenrasen, Weinberglagen) und darauffolgende Beschattung durch Aufforstung oder Verbuschung
- Zerschneidung von Lebensräumen und somit Isolation von Populationen (fehlender Individuenaustausch) durch landwirtschaftliche Intensivierung und Neubau von Verkehrstrassen (Autostraße, Schnellbahntrassen)
- Instandhaltung und Betrieb von Verkehrstrassen, unter anderem Gleisbauarbeiten (Schotterbett) und Beseitigung von randlicher Vegetation an Bahntrassen, Lärmschutzwänden
- Bebauung oder anderweitige Nutzung aufgelassener Bahnanlagen (z. B. als Radweg)
- Verluste durch Fahrzeugverkehr auf Straßen, Feld-, Wirtschafts- und Radwegen (auch Verluste von Beutetieren, zum Teil sehr viele Blindschleichen)
- Habitatverlust durch Bebauung, insbesondere sonniger Hanglagen
- Individuenverluste durch unsachgemäße Mahd von Randstreifen und Grabenböschungen entlang von Straßen, Bahnstrecken, Feld-, Forst- sowie Rad- und Wanderwegen
- Verlust von Habitatstrukturen in Kleingartenanlagen, an Wegböschungen und Trockenmauern (Ersatz durch fugenlose Betonmauern) im besiedelten Bereich
- Unsachgemäß durchgeführte Renaturierungsmaßnahmen in Mooren im Rahmen der Wiedervernässung (z. B. Abtragen von Torfdämmen und -kanten aus gewachsenem Moorboden, Aufstau bis unmittelbar an den heutigen Moorrand)
- Unsachgemäß durchgeführte Bodenbearbeitung von Heiden, Mooren und Mager-/Halbtrockenrasen (Zeitpunkt und Flächengröße bei Mahd, Mulchen, Plaggen, Brennen; intensive Beweidung), wie sie leider auch in manchen Naturschutzgebieten mit dem Ziel Biotoppflege erfolgt
- Bodenbearbeitung im Winterhalbjahr im Bereich von Winterquartieren
- Gezielte Tötung auch einzelner Tiere (Verwechslung mit Kreuzotter, Schlangenphobie)
- Störung durch zunehmende Erholungsnutzung (z. B. Heidegebiete, Wälder)
- Prädation durch herumstreunende Haustiere (Katzen, Hunde) und drastisch zugenommenen Schwarzwildbestand
Schutzmaßnahmen
Voraussetzung für den Schutz der Schlingnatter ist die Erfassung der noch vorhandenen Bestände sowie potenzieller Lebensräume und Vernetzungskorridore. Schutz- und Erhaltungsmaßnahmen für die Schlingnatter müssen zunächst auf die Erhaltung und Optimierung der noch vorhandenen Lebensräume abzielen. Dabei ist zu beachten, dass ein mosaikartiger Strukturreichtum belassen beziehungsweise geschaffen wird, der insbesondere auch die Sonnen- und Wärmebedürftigkeit der Natter berücksichtigt. Im Einzelnen sollten folgende Maßnahmen zur Sicherung und Erhaltung des Lebensraumes umgesetzt werden:
- Naturschutzrechtliche Sicherung bedeutender Schlingnattervorkommen, insbesondere Hochmoore und deren degenerierte Stadien beziehungsweise Heiden; in der Regel stellen diese Gebiete gleichzeitig Vorkommen weiterer gefährdeter Reptilienarten dar
- Erhaltung trockenwarmer Biotope in Mittelgebirgslagen wie lichte Laubwälder (z. B. historische Mittelwaldnutzung) mit offenen Felsbildungen und natürlichen Block- und Geröllhalden
- Erhaltung wärmebegünstigter Hanglagen (aufgegebene Weinberge, Halbtrockenrasen)
- Erhaltung und Wiederherstellung halboffener, brachliegender Sekundärbiotope wie Steinbrüche, Kies- und Sandgruben, Böschungen entlang von Bahntrassen und Kanälen sowie Straßen- und Wegränder mit Wechsel von sonnigen und schattigen Bereichen
- Offenhaltung und Entwicklung von Grenzertragsstandorten (z. B. Magerrasen, Halbtrockenrasen, Heiden, Hochmoorränder)
- Vernetzung geeigneter Lebensräume im Offenland und zwischen Offenland und Wald durch linienförmige Landschaftsstrukturen (Hecken, Ruderalflächen, Wegraine)
- Schaffung oder Erhaltung vielseitig strukturierter, ausreichend breiter (10–20 m), ungenutzter äußerer und innerer naturnaher Waldränder mit halboffenem Charakter in sonnenexponierter Lage (z. B. Hochspannungs- und Jagdschneisen, Lichtungen, kleinräumige Kahlschläge, südexponierte Waldränder, insbesondere auch zu landwirtschaftlich intensiv genutzten Flächen) sowie unbeschatteter Randstreifen zu beiden Seiten der Waldwege (z. B. Brandschutzstreifen), unter anderem als Schlüsselhabitate und Verbreitungs-/Vernetzungsstrukturen
- Keine Aufforstungen in Schlingnatterhabitaten; Freiflächen im Wald offen halten
Zur Förderung der erforderlichen Kleinstrukturen, unter anderem als Sonnen- und Versteckplätze, sollten folgende Maßnahmen Beachtung finden:
- Erhaltung, Instandsetzung beziehungsweise Wiederherstellung wertvoller, sonnenexponierter Habitatstrukturen wie Trockenmauern (1–2,5 m hoch, mit hohl aufliegenden Steinplatten, eine Verfugung) und Steinriegel oder Lesesteinhaufen mit Hohlräumen zwischen 0,4 und 2,5 cm, Reisighaufen, Trockengebüsche und Hecken oder auch Baumstubben und Totholz
- Bei Gleisbauarbeiten an Bahnstrecken, wenn möglich, Erhaltung vorhandener Hohlraumsysteme im Schotterbett oder Neuanlage entsprechender Verstecke (Steinhaufen aus Gleisschotter) in der Nähe zum Gleisbett
- In Weinbaugebieten Erhaltung, Schaffung und Förderung von Krautsäumen durch Unterlassung der Anwendung von Wildkräuterbekämpfungsmitteln im Abstand von mindestens 1,5 m von Mauerfuß und Mauerkrone (gegebenenfalls nötige Mahd dieser Säume nur im Winter)
- Bei Rebflurbereinigung Erhaltung der (Saum-)Strukturen
- Freistellung/Offenhaltung der Weinbergsmauern, dabei aber einen Bodenbewuchs von etwa 10 % als Deckungsstruktur erhalten (Brom- und Himbeeren, Efeu)
- Bei Mahd oder Beweidung, die immer extensiv erfolgen sollte (!), Säume und Böschungen als Restflächen stehen- beziehungsweise unbeweidet lassen
Daneben sind auch die Lebensraumansprüche der Schlingnatter (Kern-/Schlüsselhabitate wie Winterquartier, Frühjahrs-/Herbstsonnenplätze, Brutplatz) bei der Erstellung von Pflege- und Entwicklungsplänen beziehungsweise der Durchführung von Pflegemaßnahmen in Heidegebieten, Hochmooren sowie auf Mager- und Halbtrockenrasen zeitlich und flächenmäßig zu berücksichtigen, sofern die Art dort nachgewiesen wurde. Dies gilt insbesondere für Wiedervernässungsmaßnahmen sowie das Plaggen (Grädern), Mulchen, Mähen, Brennen und die Beweidung von Heiden und Mager- beziehungsweise Trockenrasen (Zerstörung der Habitate, Tötung von Individuen).
Für die Kernflächen gilt:
- Wiedervernässungsarbeiten schon im September vor Beginn der Winterruhe durchführen; kein Abtragen von Torfdämmen und -kanten aus gewachsenem Moorboden
- Plaggen (Grädern), Mulchen, Mähen und Brennen darf in den Kernflächen nicht stattfinden; ansonsten nur kleinflächig (< 1 ha) und nur während der Winterruhe
Bei erforderlichen Pflege- und Unterhaltungsmaßnahmen in der Forst- und Landwirtschaft muss Folgendes berücksichtigt werden:
- Kein Einsatz von Forstmulchern; wenn unbedingt nötig, dann nur kleinflächig und abschnittsweise und dabei möglichst Bodenverletzungen vermeiden
- Böschungen, Säume und Brachen, wenn möglich, nur im Winter mähen, als Alternative hochsommerliche Mahd wechselnder Abschnitte (besonders wenn die Wüchsigkeit des Standortes ein zusätzliches sommerliches Mähen erfordert)
- Bei der Mahd auf Mager-/Halbtrockenrasen oder an Randstreifen und Grabenböschungen entlang von Straßen, Bahnstrecken, Feld-, Wald- sowie Rad- und Wanderwegen während der Aktivitätsphase möglichst mit Balkenmähern und einer Schnitthöhe von 15 cm arbeiten; Mäharbeiten auf frühe Morgenstunden verlegen (vor 7 Uhr) oder bei nasskaltem Wetter (um 10 °C) durchführen, wenn möglich nur abschnittsweise, um zusätzliche Verluste durch Beutegreifer (z. B. Greifvögel) zu vermeiden; Brachen möglichst während der Wintermonate mähen und Teilflächen als Deckung für das Frühjahr stehenlassen
- Kein Ausbringen von Futter zum Anlocken von Wildschweinen in Schlingnattergebieten
Letztendlich und ganz wichtig:
Fortführung der bisherigen Aufklärungsarbeit zum Schutz aller heimischen Schlangen und Vermittlung von Unterscheidungsmerkmalen in Schulen, Medien oder durch gezielte Broschüren und Faltblätter (dazu dient die diesjährige Aktion)
Bitte nutzen Sie auch unsere Begleitmaterialen zur Aktion: Reptil des Jahres 2013: Die Schlingnatter
Textquelle: Aktionsbroschüre 2013: Die Schlingnatter
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