Das Leben der Würfelnatter im Jahresverlauf

Feb 6, 2009 by     Posted under: Reptil des Jahres 2009: Die Würfelnatter

Fortpflanzung

Würfelnatter-Paarungsknäul

Oftmals versuchen sich mehrere Würfelnatternmännchen gleichzeitig mit einem Weibchen zu paaren; Foto: T. Ott

Wie es für Reptilien generell gilt, bestimmen die Außentemperaturen die Jahres- und Tagesak­tivitäten der Würfelnattern. Nach einer 5–6-monatigen Winterruhe verlassen die ersten aktiven Würfelnattern, vorwiegend Männchen, die Winterquartiere im April, manchmal auch schon an be­sonders warmen Märztagen. Ungefähr 2–4 Wochen nach der Winterruhe beginnt die Paarungs­zeit. Die Weibchen senden einen auf Männchen unwiderstehlich wirkenden Lockstoff (Pheromon) aus, durch den diese aus einer Entfernung von bis zu mehreren hundert Metern angelockt werden können. Als Folge bedrängen bis zu 10 Männchen ein Weibchen und können ein so genanntes Paarungsknäuel bilden. Dies könnte zu mehrfacher Vaterschaft führen, wie Untersuchungen an verschiedenen amerikanischen Wassernattern gezeigt haben, wo bis zur Hälfte der Gelege von mehreren Vätern stammte. Nach der Paarung suchen die trächtigen Weibchen geschützte, gut be­sonnte Plätze auf. 6–8 Wochen nach der Paarung, zwischen Ende Juni bis Mitte August, setzen die Weibchen je nach Körpergröße 5–25 Eier ab. Als Eiablageplatz werden gerne lockere, verrottbare Substrate wie Humus- oder Treibgutanschwemmungen, Kompost- oder Misthaufen unter Nutzung der Vergärungswärme als natürliche „Brutschränke“ aufgesucht. Daneben wer­den Gelege aber auch in Schwemmholz, Mauern oder in Hohlräumen stei­niger Uferstrukturen gefunden. An idealen Eiablageplätzen finden sich oft mehrere Weibchen gemeinsam zur Eiablage ein, und gelegentlich nutzen Ringelnattern dieselben Substrate, in die sie ihre Eier ebenfalls mit hineinlegen.

Eine Würfelnatterpaarung können Sie hier als Video ansehen: Würfelnatter – Paarung in der Lagune

schlüpfende Würfelnatter

Bereits während des Schlupfes erkunden junge Würfelnattern ihre Umgebung mit ihrer Zunge; Foto: D. & A. Trobisch

Die Reifezeit der Gelege beträgt zwischen 6 und 10 Wochen und ist von der Umgebungstem­peratur abhängig. Die Jungtiere schlüpfen meist ab Mitte August und haben dann eine Körper­länge von 14–24 cm und ein Gewicht von 5–7 g. Sie sind vom ersten Tag an auf sich alleine gestellt und müssen sich in der kurzen Periode vor der Winterruhe möglichst große Fettre­serven anfressen. Bei günstiger Witterung wachsen sie vor der ersten Überwinterung bereits 1–3 cm, im nächsten Lebensjahr überschreiten sie meist die 30-cm-Marke und erreichen im 3. Lebensjahr durch­schnittlich 40 cm Länge. Ab dieser Größe können die Würfelnattern bereits geschlechtsreif werden. Herbstpaarungen finden gelegentlich gegen Ende der Aktivitätsperiode statt. Ende September oder Anfang Oktober suchen die Schlangen dann ihre Winterquartiere auf, die meist in Ufernähe liegen. Vereinzelt können Wür­felnattern jedoch auch während ungewöhnlich warmer Wintertage ge­funden werden.
Einen Großteil des Tages verbringt die Würfelnatter am oder im Wasser. Als wechselwarmes, von der Umgebungstemperatur abhängiges Reptil nutzt sie gerne besonnte und sich leicht erwärmende Standorte in Ufernähe als Sonnenplätze. Dort kann sie vor allem in den Vor­mittagsstunden beobach­tet werden. Nachmittags halten sich die Schlangen bevorzugt im Wasser auf, wo sie meist dem Beu­tefang nachgehen. Zum Atmen, aber auch zum Erkunden der Umge­bung, dem so genannten „Sichern“, bringt die Nat­ter dann in Abständen von höchstens ca. 10 Minuten den Kopf über die Wasseroberfläche. Während heißer Nachmittagsstunden sowie in den heißen und trockenen Sommermonaten verkriechen sich die Würfelnattern oft in den schattigen Schutz von Gebüschen und hoch stehendem Gras oder suchen die kühleren Nischen zwischen den Steinen und Felsrit­zen auf. Die versteckte Lebensweise im Sommer könnte auch der Vermeidung vor Überhitzung, Wasserverlust, Räubern und/oder Nahrungsknappheit dienen. Überhaupt sind die Würfelnattern innerhalb einer Saison relativ standorttreu, wobei sich Einzeltiere innerhalb einer Flussuferlänge von 2000 m, meist aber weniger als 500 m, aufhalten.

Beute und Beutefang

Würfelnatter fressen bevorzugt FischeWürfelnattern ernähren sich in Mitteleuropa fast ausnahms­los von Fischen. Das Beutespektrum von Natrix tessellata umfasst Fische der verschiedensten Ar­ten (z. B. Hasel, Gründ­ling, Barsch, Karpfen, Barbe), wobei die Zu­sammensetzung je nach Standortangebot stark variiert. Im Süden und Osten des Verbreitungs­gebietes wird allerdings auch von Würfelnatter-Populationen berichtet, die sich teilweise oder sogar überwiegend von verschiedenen Amphibi­enarten ernähren. Kleinere Beutetiere werden direkt im Wasser gefressen, größere erst ans Ufer transportiert. Dort ist es für die Schlangen „einfacher“ die Fische zu drehen, um sie mit dem Kopf voran zu ver­schlingen. Die Würfelnatter kann Fische erbeuten, die bis zu 20 % ihres Körpergewichtes wiegen, Jungtiere bewältigen sogar Beutetiere mit bis zu einem Drittel ihres eigenen Gewichtes.

Würfelnatter fressen bevorzugt Fische

Würfelnatter fressen bevorzugt Fische. Sie beginnen in der Regel am Kopf (oben)…
… und verschlingen die Beute in einem einzigen Stück (unten); Fotos: T. Ott

Die Würfelnatter geht ausschließlich im Wasser auf Jagd. Beim Fischfang lassen sich zwei Strategien unterscheiden: Die eine Fangmethode besteht in einem aktiven, systematischen und gezielten Suchen und Aufspüren von (versteckten) Beutefischen am Bodengrund der Gewässer, wobei sich die Schlange selbst zwischen oder unter Steinen, Ästen, zwischen Algen oder in der Unterwas­servegetation usw. in engste Spalten oder Ritzen zwängt. Dabei wird dauernd gezüngelt, was vermutlich der Geruchsaufnahme unter Wasser dient.

Als alternative Jagdme­thode lauert die Schlan­ge oftmals im Wasser schwebend, wobei der Körper mit dem hin­teren Teil am Bodengrund zwischen Steinen, Flussschotter u. ä. „ver­ankert“ sein kann. Vor­beischwimmende oder in Reichweite kommen­de Fische werden dann durch blitzschnelles Zu­stoßen erbeutet.

Fischende Würfelnat­tern können zu allen Tageszeiten beobachtet werden, meist in flachen Wasserzonen. In Seen jagen sie bis zu einer Tie­fe von 10 m, aber immer oberhalb der thermischen Sprungschicht, in der die Wassertemperatur auf 1–2 m stark abfällt. Eine Schlange braucht oft mehrere Versuche, um einen Fisch zu erwischen. Bei Herannahen eines Beutetiers wird das Züngeln immer heftiger. Dabei ähneln die hellen Spitzen auf der sonst schwärzlichen Zunge einem zappelnden Wurm und locken so neugierige Fische an.

 

Feinde und Verteidi­gung

Würfelnattern stellen sich bei Gefahr manchmal tot

Würfelnattern stellen sich bei Gefahr manchmal tot; Foto: K. Mebert

Zu den natürlichen Fein­den der Würfelnatter zäh­len Wanderratten (Rattus norvegicus), Mauswiesel (Mustela nivalis), Fischot­ter (Lutra lutra) und Her­melin (Mustela erminea) sowie verschiedene Rei­herarten (z. B. Graureiher), Schwarzstorch (Ciconia nigra), Eisvogel (Alcedo atthis), Rabenvö­gel (Corvidae) und Lach­möwe (Larus ridibundus). Auch verschiedene andere Wasservögel sowie Raubfische (z. B. Hechte) erbeuten gelegentlich die im Wasser aktiven Schlangen. Freilaufende Hunde und Katzen stellen gebietsweise eine große Gefahr für die Würfelnattern (und auch andere Reptilienarten) dar. Als Gelegeräuber gelten verschiedene Kleinsäuger wie Marder und Wiesel, aber z. B. auch der eingebürgerte Waschbär.
Die harmlose, ungiftige Würfelnatter gilt als extrem beißfaul, nach eigenen langjährigen Erfah­rungen beißt sie nie. Zur Verteidigung und zum Schutz steht ihr dennoch eine ganze Reihe von Verhaltensweisen zur Verfügung. Bei der Annäherung durch einen Menschen vertrauen Wür­felnattern entweder auf ihre Tarnung und bleiben liegen, oder sie fliehen auf dem kürzesten Weg ins nächste Loch im Ufergelände bzw. auf dem kürzesten Weg ins Wasser und tauchen dort ab. Kön­nen sie aber nicht mehr fliehen, so zischen sie oftmals laut und fla­chen den Körper stark ab, wodurch die Schlan­ge größer erscheint und mit ihrem dreieckig ab­geplatteten Kopf einer giftigen Viper ähnelt, für manch einen Räuber ein gelungener Bluff. Selten führen die Nattern mit geschlossenem Maul Scheinbisse durch. Als Schreckreaktion setzen sie meist Kot ab und schmieren durch schlin­gende Bewegungen sich oder den potentiellen Räuber mit einem nach faulem Fisch riechenden Sekret aus der Analdrüse ein. Eine wahrlich ungenießbare Beute!

Vortäuschende Vergrößerung

Bei Gefahr platten sich Würfelnattern ab, um größer zu erscheinen; Foto: K. Mebert

Bei andauernder Belästigung vergraben die Nattern schließlich ihren empfindlichen Kopf unter ei­ner Körperschlinge oder stellen sich gänzlich tot. Dabei legen sie – meist etwas zusammengerollt – vor allem den Kopf, manchmal auch größere Teile des Körpers, zur Seite oder auf den Rücken, sodass die Bauchseite nach oben weist. Zusätzlich öffnen sie das Maul und lassen die Zunge he­raushängen, selten wird sogar der Austritt von Blut aus dem Maul beobachtet. Das aktiv abgege­bene Blut ahmt eine schwere Verletzung nach oder verstärkt den Eindruck eines toten, nicht mehr ganz frischen Tieres (Akinese).

 

 

 

Textquelle: Aktionsbroschüre 2009 „Die Würfelnatter“ (download)

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