Äskulapnatter
Artensteckbrief Äskulapnatter (Zamenis longissimus)
Art:
Zamenis longissimus, Äskulapnatter
Heimische Unterart(en):
Zamenis longissimus longissimus
Fauna-Flora Habitatrichtlinie:
FFH-Richtlinie (Anhang IV)
Rote Liste Status:
RL Deutschland (2009): stark gefährdet
RL BW (1999): vom Aussterben bedroht
RL BY (2003): vom Aussterben bedroht
RL HE (2010): stark gefährdet
Beschreibung:
Mit einer Gesamtlänge von maximal bis zu 220 cm ist die Äskulapnatter die mit Abstand größte heimische und auch im europäischen Vergleich große Natter. Ihr relativ kleiner, schmaler, Kopf ist nur wenig vom schlanken Körper abgesetzt. Die Männchen werden größer als die Weibchen. Als Kletternatter besitzt die Äskulapnatter glatte Schuppen, die randlichen Bauchschuppen sind allerdings gekantet. Die braun bis gelbbraune Rückenfärbung wird durch mehr oder weniger stark ausgeprägte feine, weiße Strichel am Ober- und Unterrand einzelner Schuppen unterbrochen (fehlen am Vorderkörper und Schwanz). In der Nackengegend findet sich ein dunkelbrauner Schläfenfleck. Die Bauchschuppen (Ventralia) und Unterschwanz-schuppen (Subcaudalia) sind gelblichweiß bis kanariengelb und stets ungefleckt. Junge Äskulapnattern zeigen 4 –7 Reihen dunkler Flecken auf hellbraunem Grund und einen hell-gelben Bauch mit unregelmäßig braunen Pigmentflecken. Das Auftreten von deutlichen hell- bis dunkelgelb gefärbten Nackenflecken kann zu Verwechselungen mit Ringelnattern führen.
Gesamtverbreitung:
Die Äskulapnatter ist vom äußersten Norden Spaniens über weite Teile Frankreichs, Italien, Österreich, den Balkan bis zur türkischen Schwarzmeerküste verbreitet. Als Reliktpopulationen einer ehemals wesentlich weiteren Verbreitung im Holozän, die nördlich bis nach Dänemark reichte, finden sich heutzutage die nördlichsten Populationen in Süddeutschland, der Tschechischen Republik und Polen.
Verbreitung national:
In Deutschland hat die thermophile Äskulapnatter heutzutage eine inselartige Verbreitung, die sich auf vier Teilareale aufteilt. Die nördlichsten Vorkommen finden sich im Rheingau-Taunus rund um Wiesbaden in Hessen. Ein zweites Vorkommen hat die Natter an der Süd-spitze Hessens im Raum Hirschhorn/Eberbach, welches bis nach Baden-Württemberg hinein-reicht. Weit davon entfernt finden sich Vorkommen entlang der Donauleiten südöstlich von Passau sowie entlang der unteren Salzach bei Burghausen. Die beiden südostbayerischen Vorkommen haben eine Verbindung zum anschließenden Areal in Österreich.
Hier finden Sie den Verbreitungsatlas für alle einheimischen Reptilien und Amphibien.
Ansprechpartner für Nachweise:
Hessen:
Arbeitsgemeinschaft Amphibien- und Reptilienschutz in Hessen e. V. (AGAR), Gartenstr. 37, 63517 Rodenbach, Tel. 06184/ 994393, e-mail: agarhessen@arcor.de
Baden-Württemberg:
Arbeitsgemeinschaft Äskulapnatter, Dr. Michael Waitzmann, Fuchsbau 29a, 76228 Karlsruhe, Telefon: 0721/5600-1453, email: ag_aeskulap@gmx.de
Bayern:
Otto Aßmann, Büro für Landschaftsökologie, Max-Moser-Str. 6, 94130 Obernzell, Telefon: (08591) 93223, email: postmaster@assmann-landschaftsplanung.de
Lebensräume:
Zu den besiedelten Lebensräumen gehören naturnahe lichtdurch-flutete feuchtwarme Wälder und Waldränder. Zudem werden nicht zu trockene Trocken-, Halbtrocken- und bodensaure Magerrasen sowie Streuobstwiesen und offene Steinbrüche und Geröllhalden besiedelt. Wichtige Biotopstrukturen innerhalb der Lebensräume sind Lesesteinhaufen, Trockenmauern, Felsbildungen und wärmeliebende Saumgesellschaften.
Wissenswertes:
Lange Zeit wurde darüber spekuliert, dass die Art im Schlepptau der Römer zu Prozessionszwecken nach Deutschland gelangte. In dem kleinen Dorf Cocullo in den Abruzzen findet noch heute all-jährlich im Mai eine Schlangenprozession (la fiesta di separi) statt, bei der Äskulapnattern und Vierstreifennattern (Elaphe quatuor-lineata) durch das Dorf getragen werden. Genetische Analysen zeigten jedoch, dass die deutschen Äskulapnatter-Vorkommen eng mit Populationen vom Balkan verwandt sind und dort vermutlich auch ihr glaziales Refugium hatten. Die Tatsachse, dass alle nördlichen Reliktpopulationen (d.h. auch die Tschechischen und Slowakischen Vorkommen) zur östlichen Klade gehören, legt eine postglaziale Wiederbesiedlung aus dem Balkangebiet nahe.
Gefährdung & Schutz:
Die Seltenheit der Art und die starke Verinselung der Vorkommen in Deutschland recht-fertigen die bundesweite Einstufung der Äskulapnatter als „stark gefährdet“. Das Bundesland Hessen trägt mit einem Großteil der deutschen Vorkommen eine hohe Verantwortung für den Erhalt der Art. Aus diesem Grund wurden in Hessen und auch in Bayern umfangreiche Artenschutzkonzepte und Biotopflegemaßnahmen initiiert. Die Schutzbemühungen führten u.a. dazu, dass der Art eine erhöhte Aufmerksamkeit entgegengebracht wird, die zu regel-mäßigen Nachweisen in den bekannten Vorkommensgebieten führt. Als Gefährdungsfaktoren gelten in erster Linie Lebensraumverluste in Folge einer Erschließung neuen Baulandes, aber auch eine veränderte Nutzung von vegetationsarmen Trockenhängen durch Aufforstungen. In Weinbergsbrachen führen die Verbuschung von ehemals extensiv genutzten Brachflächen und Mähwiesen sowie das Verfugen spaltenreicher alter Trockensteinmauern zu Lebensraum-verlusten. Durch ein Entfernen von Komposthaufen und Misthaufen gehen wertvolle Eiablageplätze verloren. Schließlich sind die direkte Verfolgung sowie das illegale Abfangen von Nattern zur Terrarienhaltung lokale Gefährdungsfaktoren.
Zum Schutz der wenigen Reliktpopulationen der Äskulapnatter in Deutschland ist es essentiell in den Vorkommens-Schwerpunkten zukünftig weitere Schutzgebiete auszuweisen. Bereits bestehende Schutzgebiete (wie z.B. an den Donauleiten) sollten auf Grundlage speziell auf die Art abgestimmter Konzepte gepflegt werden. Weinberge, Streuobstwiesen, Mähwiesen und Viehweiden sollten langfristig extensiv genutzt werden. Zudem ist es bedeutsam Teilpopulationen durch die Neuanlage und die Pflege von Grenzlinienstrukturen (als Trittsteinbiotope) zu vernetzen.
Literatur:
Böhme, W. (1993): Elaphe longissima (Laurenti, 1768) – Äskulapnatter. – pp. 331-372 in: Böhme, W. (Hrsg.): Handbuch der Reptilien und Amphibien Europas. Band 3/I Schlangen (Serpentes) I (Typhlopidae, Boidae, Colubridae 1: Colubrinae. – Aula-Verlag, Wiesbaden.
Drobny, M. (1994): Habitatwahl und Habitatstruktur einer Population der Äskulapnatter, Elaphe longissima (Laurenti, 1768) in Ostbayern. – Mitteilungen Landesverband für Amphibien- und Reptilienschutz Bayern e. V., 14(1): 35-50.
Golder, F. (1985): Ein gemeinsamer Massen-Eiablageplatz von Natrix natrix helvetica (Lacepede, 1789) und Elaphe longissima longissima (Laurenti, 1768, mit Daten über Eizeitigung und Schlupf (Serpentes: Colubridae). – Salamandra,21(1): 10-16.
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Günther, R. & M. Waitzmann (1996): Äskulapnatter – Elaphe longissima (Laurenti, 1768). – pp. 647-666 in: Günther, R. (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. – Gustav Fischer Verlag, Jena, Stuttgart, Lübeck, Ulm.
Heimes, P. (1994): Untersuchungen zur Ökologie und zum Verhalten der Äskulapnatter, Elaphe longissima (Laurenti, 1768) im Rheingau-Taunus. – Inaugural-Dissertation der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, 133 pp.
Heimes, P. & M. Waitzmann (1993): Die Äskulapnatter (Elaphe longisssima [Laurenti, 1768]) in Deutschland (Reptilia, Serpentes: Colubridae). – Zoologische Abhandlungen Staatliches Museum für Tierkunde Dresden, 47(2): 157–192.
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Waitzmann, M. (1993): Zur Situation der Äskulapnatter Elaphe longissima (Laurenti, 1768) in der Bundesrepublik Deutschland. – pp. 115-134 in Gruschwitz, M., P. M. Kornacker, R. Podloucky, W. Völkl & M. Waitzmann (Hrsg.): Verbreitung, Ökologie und Schutz der Schlangen Deutschlands und angrenzender Gebiete. – Mertensiella, 3.
Waitzmann, M. & K. Fritz (2007): Äskulapnatter – Zamenis longissimus (Laurenti, 1768). – pp. 651-666 in Laufer, H., Fritz, K. & P. Sowig (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs. – Eugen Ulmer KG, Stuttgart.
Text: Ulrich Schulte
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