Tagung 1993: Amphibienschutz an Straßen
Im November 1993 veranstaltete das Naturschutzzentrum NRWin Münster eine dreitägige Fachtagung zum Thema „Amphibienschutz an Straßen“.
Die Tagung entstand in Zusammenarbeit mit der AG Feldherpetologie der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie der Deutschen Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT), den Straßenbauverwaltungen des Landes, dem Bundesverkehrsministerium und der damaligen Fachabteilung Biotop- und Artenschutz der LÖBF. Schwerpunkt dieser Veranstaltung war der Erfahrungsaustausch über kombinierten Schutzmaßnahmen für Amphibien an Straßen und in ihren arteigenen Lebensräumen:
- Sperrwirkung, Leiteignung, Beständigkeit und Betrieb von provisorischen und fest eingebauten Leiteinrichtungen und Durchlasssystemen an bestehenden bzw. neu zu bauenden Straßen
- Praxisbericht über zeitlich befristete Sperrung von Straßen
- Die Wirkung von Straßenentwässerungssystemen auf die Amphibienfauna
- Schutz und Gestaltung von Land- und Wasserlebensräumen für Amphibien
- Problematik der Umsiedlung von Amphibienpopulationen
Die Besichtigung von vier stationären Schutzanlagen an Straßen in Nordrhein-Westfahlen ergänzte den theoretischen Teil. Damit wurde das mittlerweile fest im praktischen Naturschutz verankerte Problemthema „Amphibienschutz an Straßen“ zum zweiten Mal nach 1986 im Rahmen einer großen Fachtagung mit über 120 Tagungsteilnehmern in NRW erörtert.
Die Ergebnisse der ersten Tagung wurden als Schwerpunktheft der LÖBF-Mittteilungen (Heft 4/1987 publiziert. In der Zwischenzeit sind von den Straßenbaubehörden (Kommunen, Kreise, kreisfreie Städte, Landschaftsverbände, Landesstraßenbauämter, dem Bundesverkehrsministerium), aber auch von privater Naturschutzseite eine Reihe von fest installierten Amphibienschutzanlagen verwirklicht worden. Einige werden mit wissenschaftlichen Untersuchungen begleitet, um insbesondere Daten über die Effizienz für den Populationsschutz zu gewinnen, aber auch Antworten zu geben auf offene Fragen zur Biologie und Ökologie der Amphibien. Besonders interessant sind das Wanderverhalten der zu den Laichgewässern ziehenden Amphibien und die Auswanderung der Jungtiere bzw. die Akzeptanz technischer Bauwerke durch sie. Gleichzeitig werden Kenntnisse über die „technische Effizienz“ der Anlagen gewonnen, z.B. hinsichtlich Konstruktion, Material und Unterhaltung.
Lange Zeit wurden Schutzanlagen an Straßen provisorisch „gebastelt“, aber nicht fachmännisch und einheitlich gebaut, so dass sich stark widersprechende Aussagen zur Akzeptanz von Amphibienschutzanlagen an Straßen in der Literatur finden. Häufig hatte man den Eindruck gewonnen, die Schutzanlagen sein „gut genug für Kröten“. Dabei wurde völlig außer Acht gelassen, dass diese Bauchwerke genauso lange halten und unterhalten werden müssen wie die Straßen, deren Wirkung sie kompensieren sollen. Mittlerweile ist aber eine gute Produktpalette von spezifischen Materialien zum Bau von Schutzanlagen in der Praxis entwickelt und erprobt worden, die – nach entsprechenden Voruntersuchungen – für jede Lokalität individuell nach dem Baukastensystem im Wanderkorridor platziert werden können. Nach Errichtung der Anlage muss eine mindestens zweijährige Effizienzkontrolle erfolgen und eventuell später eine Ergänzung bzw. Korrektur nach dem dann gültigen Stand von Wissenschaft und Technik.
Der Straßenbaulastträger kann durch den Bau von wirksamen Amphibienschutzanlagen heute zweierlei bewirken: Die Verkehrssicherheit gewährleisten und zugleich die Belange der Umwelt angemessen berücksichtigen. Im Vordergrund muss grundsätzlich die Vermeidung von Beeinträchtigungen stehen, da der Wiederherstellung von verlorenen Lebensräumen enge Grenzen gesetzt sind.
Nach wie vor sind die meisten Schutzbauwerke auch deshalb noch in „Freiland-Experimentierphase“, weil vorhandene Kenntnisse über den Bau effektiver Anlagen noch zu wenig verbreitet sind. Hoffnung macht aber das 1987 vom Bundesverkehrsministerium herausgegebne technische „Merkblatt zum Amphibienschutz an Straßen“ (MamS), nach dessen Anleitung in der Zwischenzeit schon einige Anlagen an klassifizierten Straßen gebaut wurden. Die Erforschung dieser Anlagen hat allerdings so viele neue Erkenntnisse gebracht, dass ein Bundesarbeitskreis (im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums) mit der Neufassung und Aktualisierung dieses „Merkblattes“ beauftrag wurde. Dabei wurden auch die Themen „Ersatzlaichgewässer“ und „Pflege und Schutz der Land- Und Wasserlebensräume“ einbezogen. Es ist zu hoffen, dass die neubearbeitete, nunmehr fast einhundert Seiten starke Fassung in naher Zukunft veröffentlicht wird. Einige Aspekte dieses Werkes sind bereits auf der Tagung vorgestellt worden.
Ich hoffe, dass die vielen noch bestehenden bzw. durch Straßenneu- oder ausbau hinzukommenden Konfliktbereiche für alle bodengebundenen Arten, die regelmäßige Wechselbeziehungen zwischen ihren Teiljahreslebensräumen durchführen, nun durch neuere Erkenntnisse besser beseitigt werden können. Auch wäre wünschenswert, dass der zu eng gefasste Begriff „Krötentunnel“ allmählich durch die weitergehende Bezeichnung „Tierdurchlass“ abgelöst wird.
Autor: Arno Geiger
Textquelle: LÖBF-Mitteilungen 1/95
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