Die Sumpfschildkröte im Jahresverlauf

Jahres- und Tagesaktivität

Ein Jungtier im Fadenbach (Nationalpark Donau-Auen) beäugt die Umgebung; Foto: Nationalpark Donau-Auen

Ein Jungtier im Fadenbach (Nationalpark Donau-Auen) beäugt die Umgebung; Foto: Nationalpark Donau-Auen

In den nördlicheren Teilen des europäischen Verbreitungsgebietes hält die Europäische Sumpfschildkröte eine Winterruhe, während die Tiere im Süden im Winter zwar ihre Aktivität reduzieren, aber durchaus aktiv bleiben können. Auch in Mitteleuropa kann man in milden Wintern gelegentlich aktive Tiere in Freilandanlagen beobachten. Im Süden des Verbreitungsgebiets kann es, insbesondere wenn die Wohngewässer während des Sommers austrocknen, auch zu einer Sommerruhe kommen. Abhängig von den Wetterbedingungen endet in Mittel- und Osteuropa die Überwinterung zwischen Ende Februar und Ende März bis Mitte April. Im Frühling werden meist die Männchen etwas früher als die Weibchen gesichtet, und es kommt bald zu Paarungsaktivitäten. In Mitteleuropa werden im Spätsommer und Frühherbst die Sichtungen von Sumpfschildkröten seltener, und Tiere in Freilandterrarien stellen parallel dazu allmählich die Nahrungsaufnahme ein. Sumpfschildkröten bleiben mindestens bis in den Herbst mehr oder weniger aktiv; in kalten Jahren ziehen sich die Tiere schon ab Mitte Oktober zur Winterruhe zurück, die allerdings bei warmen längeren Wetterepisoden dann wieder unterbrochen werden kann. Europäische Sumpfschildkröten sind tagaktive Tiere. Besonders nach der Winterruhe und im Frühjahr kann man sie außerhalb des Wassers beim Sonnenbaden beobachten, wobei zum Beispiel Baumstämme, das Gewässerufer oder Pflanzenbülten aufgesucht werden.

Emys orbicularis im natürlichen Lebensraum; Foto: R. Podloucky

Emys orbicularis im natürlichen Lebensraum; Foto: R. Podloucky

Mitunter, gerade wenn es wärmer ist, „schweben“ die Tiere ragend und nehmen so die Wärme der Sonne an der Wasseroberfläche auf. Beim Sonnenbaden erwärmen sich die Schildkröten und, wenn die optimale „Betriebstemperatur“ erreicht ist, wird typischerweise das Wasser aufgesucht, um dort nach Nahrung oder einem Geschlechtspartner zu suchen. Männliche Schildkröten scheinen auch in ihrem „Revier“ zu patrouillieren, um eventuelle Rivalen zu vertreiben. Abhängig von der Jahreszeit wechselt das Sonnenbade-Verhalten. Vor allem im Frühjahr, aber auch im Herbst, sind aufgrund der niedrigeren Umgebungstemperaturen ausgedehnte Sonnenbäder zur Mittagszeit zu beobachten, also zur wärmsten Tageszeit beziehungsweise zur Tageszeit mit der höchsten Sonneneinstrahlung. Im Sommer kommt es dagegen häufig zu Sonnenbädern am Vormittag und dann wieder am späten Nachmittag. In Mittelfrankreich wurde bei Europäischen Sumpfschildkröten in einem 20 Hektar großen Teich festgestellt, dass Weibchen standorttreuer als Männchen sind. Während sich bei Weibchen im Durchschnitt Ortsveränderungen von 36 m feststellen ließen, waren es bei Männchen 86 m.

Fortpflanzung

Bei der Paarung beißt das Männchen das Weibchen oft in den Kopf; Foto: N. Schneeweiß

Bei der Paarung beißt das Männchen das Weibchen oft in den Kopf; Foto: N. Schneeweiß

Kurz nach der Winterruhe beginnen sich Europäische Sumpfschildkröten zu paaren, wenngleich dies durchaus auch später im Jahr, bis in den Herbst hinein, noch beobachtet werden kann. Die größte Paarungsaktivität wird jedoch im Frühjahr entfaltet. Dabei werden die Weibchen im Wasser von den Männchen verfolgt. Unter rivalisierenden Männchen kann es hier durchaus zu Beißereien kommen. Hat ein Männchen ein Weibchen gefunden, klammert es sich mit allen Vieren am Panzerrand der Partnerin fest und beginnt von oben herab in den Kopf des Weibchens zu beißen. Teilweise schlägt das Männchen auch mit seinem Kopf seitlich aus, sodass der Kopf des Weibchens in den Panzer gedrängt wird. Dabei streckt das Weibchen den Schwanz aus, wodurch seine Kloake für eine Paarung leichter zugänglich wird. Manchmal tragen Weibchen paarungswillige Männchen längere Zeit „huckepack“, und es sind auch Fälle bekannt geworden, bei denen Weibchen von einem paarungswilligen Männchen regelrecht ertränkt wurden. Die Paarung selbst kann durchaus mehrere Minuten dauern und findet unter Wasser statt. Das Männchen fällt dabei, typischerweise mit eingezogenem Kopf, oft seitlich neben oder hinter das Weibchen. Der Beginn der Eiablage ist fast im gesamten europäischen Verbreitungsgebiet erstaunlich konstant, wobei in Mittel- und Osteuropa meist nur ein Gelege, im Süden des Verbreitungsgebiets aber bis zu drei Gelege abgesetzt werden können. Zwischen den einzelnen Eiablagen vergehen dabei jeweils rund vier Wochen.

Ein Weibchen bei der Eiablage; Foto: Nationalpark Donau-Auen

Ein Weibchen bei der Eiablage; Foto: Nationalpark Donau-Auen

Schlupf einer kleinen Europäischen Sumpfschildkröte; Foto: N. Schneeweiß

Schlupf einer kleinen Europäischen Sumpfschildkröte; Foto: N. Schneeweiß

Die Weibchen der meisten mittel- und osteuropäischen Populationen legen Ende Mai/Anfang Juni Eier, selten später. In Mitteleuropa fällt die Eiablagesaison interessanterweise meist mit der Blüte der Gelben Schwertlilie (Iris pseudacorus) zusammen. Im südlicheren Verbreitungsgebiet wandern Weibchen zur Eiablage nicht allzu weit vom Gewässer ab. Aus nördlichen Gebieten wurden dagegen weite Strecken bekannt, die Weibchen auf dem Weg zu besonders gut geeigneten, optimal besonnten Eiablagestellen zurücklegen. Entfernungen von 1 km oder mehr sind hier keine Seltenheit! Auf ihren Wanderungen folgen die Weibchen bevorzugt schützenden Geländestrukturen und kleinen Wasserläufen, wandern aber auch über offenes Land.

Ein Jungtier im Fadenbach (Nationalpark Donau-Auen) beäugt die Umgebung; Foto: Nationalpark Donau-Auen

Ein Jungtier im Fadenbach (Nationalpark Donau-Auen) beäugt die Umgebung; Foto: Nationalpark Donau-Auen

Im gesamten Verbreitungsgebiet scheint es zwei verschiedene Schlupfstrategien der Jungtiere zu geben: Entweder verlassen die kleinen Schildkröten schon im September desselben Jahres die Nesthöhle oder sie überwintern, bereits geschlüpft, in der Gelegegrube und verlassen diese erst im Frühjahr des darauffolgenden Jahres. Liegen die Eiablagestellen der Weibchen weit vom Gewässer entfernt, kann man die Jungtiere nach dem Schlupf ebenfalls auf erstaunlich weiten Überlandwanderungen antreffen.

 

 

Nahrung

Europäische Sumpfschildkröten sind schwerpunktmäßig karnivor, verschmähen aber bei höheren Temperaturen auch Pflanzenkost nicht. Es gibt eine Vielzahl von Untersuchungen zur Nahrung Europäischer Sumpfschildkröten. Sie lassen letztlich den Schluss zu, dass die Tiere eine breite Palette von (Wasser-)Insekten, Wasserschnecken, Würmern, Fischen, Kaulquappen und Ähnlichem verzehren und dass es sich um Nahrungsgeneralisten handelt, die letztlich überwiegend das fressen, was im betreffenden Lebensraum gerade in größeren Mengen zur Verfügung steht, auch Aas. Im Vergleich zu vielen anderen „Wasserschildkröten“ ist allerdings bemerkenswert, dass die Europäische Sumpfschildkröte nicht außerhalb des Wassers schlucken kann. Das heißt, wenn doch ausnahmsweise einmal außerhalb des Wassers Nahrung aufgenommen wird, muss diese im Maul zum Wasser zurücktransportiert werden und kann erst dort, unter Wasser, verschluckt werden. Dabei stößt die Schildkröte den Kopf nach vorne und spreizt den Zungenbeinapparat, wodurch sich das Schlundvolumen vergrößert und die Nahrung mit dem einströmenden Wasser „hinuntergestrudelt“ wird.

Feinde

Ein wichtiger Fressfeind von Emys orbicularis (im Vordergrund): der Fuchs; Foto: Nationalpark Donau-Auen

Ein wichtiger Fressfeind von Emys orbicularis (im Vordergrund): der Fuchs; Foto: Nationalpark Donau-Auen

Für Europäische Sumpfschildkröten ist eine Vielzahl von Fressfeinden bekannt. Tatsächlich werden die meisten Gelege geplündert, und nur ein kleiner Teil der geschlüpften Jungtiere erreicht das Erwachsenenalter. Dafür sorgen vor allem Wildschweine, Füchse, Dachse, Marder, diverse Vögel (unter anderem Reiher, Störche, Krähen) und im Süden des Verbreitungsgebiets Mangusten. Zunehmend treten auch die aus Russland eingewanderten Marderhunde und die erstmals in den 1930er-Jahren in Deutschland ausgesetzten Waschbären als Prädatoren auf. Auch Fischotter sind als Schildkrötenjäger bekannt geworden, die im Wasser überwinternde Sumpfschildkröten töten und fressen. Neben Wildschweinen und Waschbären haben ausgewachsene Europäische Sumpfschildkröten allerdings wenige natürliche Feinde.

 

 

Überwinterung und Überwinterungsquartiere

Überwinterungsgewässer von E. orbicularis; Foto: N. Schneeweiß

Überwinterungsgewässer von E. orbicularis; Foto: N. Schneeweiß

Altarm im Nationalpark Donau-Auen (Fadenbach); Foto: Nationalpark Donau-Auen

Altarm im Nationalpark Donau-Auen (Fadenbach); Foto: Nationalpark Donau-Auen

In Mittel- und Osteuropa wurde beobachtet, dass sich Europäische Sumpfschildkröten zur Überwinterung aus frostexponierten Gewässern zurückziehen oder sich in größeren Gewässern im Flachwasser nahe an Quellen aufhalten, da hier das Wasser nicht komplett durchfriert. Interessanterweise müssen die Überwinterungsgewässer nicht mit den Sommerlebensräumen der Schildkröten identisch sein, teilweise wandern die Tiere im Herbst vom Sommerlebensraum zum Überwinterungsgewässer.

Textautoren: Uwe Fritz, Norbert Schneeweiß & Richard Podloucky
Textquelle: Aktionsbroschüre zum Reptil des Jahres 2015 (hier als pdf herunterladen)

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