Verwandtschaft und Verbreitung
Die Unterarten der Mauereidechse
Die Mauereidechse wurde, wie die meisten weiter verbreiteten Podarcis-Arten, vor allem in der Mitte des 20. Jahrhunderts von Wissenschaftlern in eine große Anzahl Unterarten aufgespalten. Neuere Erkenntnisse gehen allerdings von einer stark reduzierten Anzahl von Unterarten aus. Die vorläufigen Ergebnisse einer derzeit stattfindenden arealweiten Studie, die vor allem auf mtDNA-Sequenzdaten – unter Berücksichtigung von Färbungs- und Zeichnungsmustern – beruht, zeigen, dass in Deutschland zwei Unterarten vertreten sind: Podarcis muralis brongniardii in Westdeutschland (mit P. m. merremius als ungültiges Synonym) sowie Podarcis muralis maculiventris in Südbayern. Die letztgenannte bisherige Unterart besteht allerdings aus mindestens zwei klar unterschiedlichen Populationsgruppen, die als eigenständige „evolutionäre Einheiten“ betrachtet werden müssen: Einerseits eine Gruppe, die Teile Liguriens sowie die zentrale und westliche Poebene (inklusive des anschließenden Alpengebietes) bewohnt („maculiventris-West“), andererseits eine Gruppe in der östlichen Poebene, Friulischen Tiefebene und Nordwest-Kroatien sowie Süd-Slowenien („maculiventris– Ost“). Beide Formen unterscheiden sich äußerlich dahingehend, dass die Westform sehr häufig eine gelbe bis orangebraune Unterseite hat, während die Unterseite der Ostform niemals farbig ist. Dieselben Unterarten wie in Deutschland leben auch in der Schweiz: Podarcis muralis maculiventris („maculiventris-West“) im Tessin und in einigen südwärts entwässernden Tälern Graubündens, Podarcis muralis brongniardii im restlichen Gebiet. In Österreich kommt in Tirol ebenfalls Podarcis muralis maculiventris vor („maculiventris-West“), während die übrigen Vorkommen zur Nominatform (Podarcis muralis muralis) gerechnet werden. Weitere Verwandtschaftslinien lassen sich auf der Pyrenäen- und der Apenninenhalbinsel abgrenzen.
Gesamtverbreitung der Mauereidechse
Die Mauereidechse besitzt innerhalb der Gattung Podarcis das größte Verbreitungsgebiet. Es erstreckt sich von Zentral- und Nordost-Spanien im Westen über Mittel- und Südeuropa und die Balkanländer bis zur Westküste des Schwarzen Meeres und Nordwest-Anatolien im Osten. Die Nord- Süd-Ausdehnung des Areals reicht von den Süd-Niederlanden (Maastricht), der Nord-Eifel, dem Rheintal bei Bonn und dem nördlichen Österreich bis nach Kalabrien und in den äußersten Süden der Peloponnes. Während die Mauereidechse in südlichen Regionen bis zur montanen Stufe verbreitet ist, ist die Art in Deutschland aufgrund klimatischer Verhältnisse vorwiegend in niedrigen Höhenlagen anzutreffen.
Verbreitung in Deutschland
Heutzutage ist die Mauereidechse in Deutschland schwerpunktmäßig in Rheinland-Pfalz, im Saarland und in Baden-Württemberg verbreitet; sie bevorzugt dort die klimatisch begünstigten Hanglagen der Flüsse Rhein, Neckar, Mosel, Saar, Nahe und Lahn. Ihre nordwestliche Arealgrenze verläuft durch die südlichsten Landesteile Nordrhein-Westfalens. Die Vorkommen dort sind auf zwei isolierte Areale im Rheintal bei Bonn und in der Nord-Eifel beschränkt. Auch in Hessen ist die Art nur kleinflächig verbreitet: Besiedelt werden das Rheintal, das Oberrheinische Tiefland, der Taunus, das westhessische und osthessische Bergland sowie der Odenwald im südlichsten Landesteil. Innerhalb von Rheinland-Pfalz liegen die bedeutendsten und individuenstärksten Populationen der Mauereidechse in Deutschland. Insbesondere die Weinberge und Niederwaldflächen des Mittelrhein-, Ahr-, Mosel-, Lahn- und Nahetals werden besiedelt. Darüber hinaus existieren Vorkommen in den Kerbtälern und Burgruinen des Pfälzer Waldes sowie des Haardtrands, wohingegen höhere Lagen von Pfalz, Hunsrück und Westerwald unbesiedelt sind. Im Saarland kommt die Art schwerpunktmäßig im Mosel- und Saartal vor. In Baden-Württemberg hat die Mauereidechse am Hochrhein entlang der Schweizer Grenze ein nahezu geschlossenes Verbreitungsgebiet, welches sich bis in das Markgräfler Land erstreckt. Alle weiteren Vorkommen nördlich davon (Kaiserstuhl, Offenburger Rheinebene, Bühlertal, Odenwald, Neckartal, Wildberg) sind mittlerweile voneinander isoliert. In Baden-Württemberg erreicht die Mauereidechse ihre maximale Vertikalausbreitung (750 m ü. NN) innerhalb Deutschlands. In Bayern existieren zwei autochthone Vorkommen der westlichen Form von P. m. maculiventris bei Oberaudorf. Diese weit von den südwestdeutschen Populationen entfernten Vorkommen schließen an die österreichischen Inntal-Populationen an.
Eingeschleppte Mauereidechsen – ein naturschutzfachliches Problem!
Von der Mauereidechse existiert eine Vielzahl eingeschleppter bzw. angesiedelter Vorkommen innerhalb Deutschlands. Bekannt sind mindestens 67 Vorkommen acht unterschiedlicher Verwandtschaftslinien. Am häufigsten handelt es sich um Vorkommen, die ihren Ursprung im östlichen Frankreich, in der West-Schweiz und Südwestdeutschland oder in den Südalpen und der westlichen Poebene haben. Häufig wurden jedoch auch Mauereidechsen aus der Region Venetien (Italien) eingeschleppt, und ferner konnten sich in Deutschland Populationen mit Gründerindividuen aus Zentral-Italien, West-Frankreich sowie dem Balkan etablieren. Während es bereits im 19. Jahrhundert zu ersten dokumentierten Aussetzungen durch Einzelpersonen kam, entstand der Großteil der Populationen durch gezielte, aber illegale Aussetzungen von Mauereidechsen erst seit den 1980er Jahren. Nur ein relativ kleiner Teil der Vorkommen geht auf zufällige Verschleppungen über den Bahn- oder Güterverkehr zurück. Vielerorts für die Ansiedlung günstige Lebensräume, die große klimatische Anpassungsfähigkeit sowie die Fortpflanzungscharakteristika machen die Mauereidechse zu einem effizienten Kolonisierer. Aufgrund der nur schwer zu kalkulierenden Auswirkungen auf die heimische Fauna müssen Aussetzungen von Mauereidechsen, die ohnehin gegen das Bundesnaturschutzgesetz verstoßen, unbedingt verhindert werden. Eingeschleppte Mauereidechsenpopulationen scheinen aus bisher unbekannten Gründen insbesondere Zauneidechsen zu verdrängen. Des Weiteren besteht die Gefahr von Hybridisierungen (Vermischungen) innerhalb von Kontaktzonen, in denen eingeschleppte Populationen auf einheimische Mauereidechsenbestände treffen.
Das Thema Aussetzung wird auch im Zusammenhang eines von der DGHT geförderten Forschungsprojektes (hier weiterlesen) und beim „Amphib des Jahres 2008: Der Laubfrosch“ angesprochen (hier weiterlesen).
Die Mauereidechse in Österreich
Die Mauereidechse kommt in Österreich in drei verschiedenen Arealen vor. Diese drei Populationsgruppen lassen sich genetisch klar voneinander abgrenzen und sind das Ergebnis dreier unabhängiger postglazialer (nacheiszeitlicher) Einwanderungswellen. Das größte, mehr oder weniger zusammenhängende Areal liegt im Süden und Osten des Landes (Kärnten, östliche Steiermark, Mittel- und Südburgenland sowie das östliche Niederösterreich). Diese Populationen haben sehr wahrscheinlich Österreich aus dem östlichen Adriaraum über Slowenien erreicht. Eine zweite Populationsgruppe, deren Ursprung wohl im zentralen Balkan (Serbien) liegt, die also von Osten her eingewandert ist, lebt isoliert davon in den niederösterreichischen Nordalpen im Gebiet der Flüsse Traisen und Erlauf. Die dritte Gruppe besiedelt das Inntal und einige Seitentäler (Nordtirol) flussabwärts bis ins grenznahe Bayern (Oberaudorf). Ihr Ursprung ist in Oberitalien anzunehmen, von wo aus sie vermutlich über den Brennerpass den Alpenhauptkamm überquert hat. Während die ersten beiden Populationsgruppen zur Nominatform, P. m. muralis, gerechnet werden müssen, zählen die Mauereidechsen Nordtirols zur Unterart P. m. maculiventris („maculiventris-West“). Wie in Deutschland und der Schweiz gibt es auch in Österreich eine Anzahl eingeschleppter Populationen – die meisten davon wurden erst in den letzten 15 Jahren entdeckt, nur für eine Population ist eine bewusste Aussetzung in den 1930er Jahren nachgewiesen. Wie genetische Daten belegen, haben alle diese Populationen ihren Ursprung im nördlichen Italien. Die eingeschleppten Populationen liegen – bis auf eine – weitab von den autochthonen Vorkommen, sodass zurzeit keine Hybridisierung mit diesen ursprünglich heimischen Populationen erwartet werden kann. Die einzige Ausnahme betrifft die Population von Klosterneuburg („maculiventris-Ost“), deren Entfernung zu einer möglicherweise autochthonen isolierten Kleinpopulation im Stadtgebiet von Wien nur ca. 4 km beträgt.
Die Mauereidechse in der Schweiz
In der Schweiz ist die Mauereidechse weit verbreitet und regional überaus häufig. Sie wird in den Alpen bis auf eine Höhe von 2.200 m ü. NN angetroffen, der Verbreitungsschwerpunkt liegt aber unterhalb von 1.000 m ü. NN. Natürlicherweise kommt die Mauereidechse in der Schweiz v. a. am Alpensüdhang vor, namentlich im Tessin und in den Bündner Südtälern Misox, Bergell, Puschlav und Münstertal. Inneralpin findet sie sich im gesamten Rhonetal und zahlreichen Seitentälern. Weitere Verbreitungsschwerpunkte sind das Genferseebecken und der Jurabogen, wo die Art im Norden den Kanton Schaffhausen erreicht. Am westlichen Alpennordhang kommt die Mauereidechse ebenfalls autochthon vor und stößt hier entlang der Aare bis weit ins Berner Oberland vor. Weitere natürliche Vorkommenfinden sich im westlichen Mittelland, wo die Art aber nur lokal verbreitet ist. Entsprechend ihrer ausgedehnten Höhenverbreitung und wenig spezifischen Habitatansprüche wird die Mauereidechse syntop mit allen anderen terrestrischen Reptilienarten der Schweiz angetroffen. Sämtliche Populationen der Mauereidechse am zentralen und östlichen Alpennordhang, beispielsweise im Urner Reusstal oder im Alpenrheintal gehen auf Verschleppungen oder Aussetzungen zurück, genauso wie die inzwischen zahlreichen Standorte im zentralen und östlichen Mittelland. Nicht zufällig liegen viele dieser erst in neuerer Zeit besiedelten Lebensräume im Bereich von Eisenbahnlinien, denn die Mauereidechse wird sehr häufig mit der Bahn von der Alpensüdseite nach Norden verschleppt. Verschleppungen sind auch mit Material- und insbesondere Topfpflanzentransporten (hier oft in Form von Eiern) auf den Straßen bekannt geworden. Sie betreffen einerseits einheimische Tiere, andererseits aber auch südeuropäische Individuen verschiedener Unterarten, wie Vorkommen sehr ungewöhnlich gefärbter Mauereidechsen beispielsweise in Basel, Bern, Brunnen, Thun und diversen Standorten im Tessin belegen. Zum Teil breiten sich diese Populationen aus und hybridisieren (vermischen sich) vermutlich mit autochthonen Tieren. Seit einigen Jahren stellt man in der Schweiz eine grundsätzliche Ausbreitungstendenz der Mauereidechse fest, und wahrscheinlich profitiert die Art von günstigen Bedingungen im Zusammenhang mit dem Klimawandel. Diese Tendenz betrifft nicht nur eingeschleppte Vorkommen, sondern gleichermaßen auch die autochthonen Bestände, die beispielsweise im Berner Oberland zunehmend höher gelegene Standorte besiedeln.
Textquelle: Aktionsbroschüre 2011: Die Mauereidechse (download)
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