Das Amphib des Jahres 2007: Die Knoblauchkröte
Im vergangenen Jahr hat die Deutsche Gesellschaft für Herpetologie und Terrarienkunde e.V. (DGHT), die mit über 7.000 Mitgliedern weltweit größte Vereinigung ihrer Art, der Öffentlichkeit erstmals ein „Reptil des Jahres“ 2006 vorgestellt, nämlich die Wald- oder Bergeidechse. Unsere Aktion entpuppte sich als ein außerordentlicher Erfolg und die Medienresonanz übertraf die Erwartungen bei weitem – für manchen, der vor „Abnutzungserscheinungen“ durch eine Überhäufung mit Naturobjekten des Jahres warnte, ist dies vielleicht eine kleine Überraschung. So war es für unsere Gesellschaft keine Frage, 2007 einen Froschlurch in den Blickpunkt zu rücken – nachdem die DGHT ja sowohl für Reptilien (Kriechtiere) als auch Amphibien (Lurche) „zuständig“ ist –, nämlich die Knoblauchkröte (Pelobates fuscus).
Warum nun ausgerechnet dieser eigenartige Froschlurch mit dem „komischen“ Namen, den wohl nur engagierte Naturfreunde kennen? Nachdem wir zu Beginn unserer Aktion mit der weit verbreiteten und an vielen Stellen auch noch häufigen Waldeidechse bewusst eine Art gewählt haben, die direkt vor der Haustür für jeden leicht zu beobachten ist, wollen wir dieses Mal – sozusagen als Kontrapunkt – eine seltenere, vielleicht die am wenigsten bekannte Amphibienart Deutschlands vorstellen. Bei der Knoblauchkröte handelt es sich tatsächlich um einen schwierig zu beobachtenden Froschlurch, um den „Maulwurf unter unseren Amphibien“, der bei uns nur noch in wenigen Bundesländern einigermaßen flächendeckend verbreitet ist.
Unsere heimischen Amphibien sind ganz besonders auf Werbung und Lobby-Arbeit angewiesen, denn die meisten in Deutschland lebenden Arten gelten in ihren Beständen heute als gefährdet und nicht wenige Menschen stehen dieser Tiergruppe nach wie vor skeptisch gegenüber. Obwohl das globale Amphibiensterben, das in Mittel- und Südamerika schon ganze Froschpopulationen und -arten zum Verschwinden gebracht hat, bei uns bisher keine Rolle zu spielen scheint, heißt es wachsam zu sein – die ersten Fälle mit Chytridpilz-Infektionen, einem der mutmaßlichen Hauptverursacher des Aussterbens, wurden bereits in Südeuropa beobachtet.
Vor diesem Hintergrund ist die erstmalige Wahl eines Froschlurchs zu unserem Naturobjekt des Jahres ein Signal, alle Kräfte in Bewegung zu setzen, um unseren heimischen Amphibien das Schicksal ihrer tropischen Artgenossen zu ersparen. Noch ist kein einziger Frosch in Deutschland tatsächlich ausgestorben, aber die Bestände fast aller Arten werden Jahr für Jahr geringer, nehmen teilweise dramatisch ab. Wo früher ein natürlicher Biotopverbund mit zahlreichen Laichgewässern und geeigneten Sommer- und Winterquartieren vorhanden war, finden sich heute oftmals nur noch isolierte Restgewässer in landwirtschaftlich genutzten Monokulturen – mit den entsprechenden Folgen für Kröten, Frösche und Molche.
Die Knoblauchkröte ist in mehrfacher Hinsicht ein Sonderling unter den Froschlurchen unserer Heimat. Den größten Teil des Jahres ist sie hauptsächlich nachtaktiv und zudem tagsüber im Erdboden vergraben. Durch diese versteckte Lebensweise ist sie vielen Naturfreunden nur dem Namen nach bekannt. Die Tiere verstecken sich zwischen Pflanzenstängeln unter Wasser – und sogar das leise „Froschkonzert“ zur Paarungszeit findet unter Wasser statt. Die Larven der Knoblauchkröte können 22 cm Länge erreichen und sind damit die Giganten in der „Kaulquappenwelt“ unserer heimischen Froschlurche. Kein Wunder, dass sie in Notzeiten auch der menschlichen Ernährung dienten.
Knoblauchkröten können ein bemerkenswertes Abwehrverhalten zeigen, indem sie den Feind durch Kopfstöße oder selbst durch Bisse attackieren und dabei manchmal auch relativ laute Schreie mit geöffnetem Mund ausstoßen – Verhaltensweisen, die weltweit nur sehr wenige Froschlurche zeigen.
Die etwas „plump“ gebauten Knoblauchkröten, die trotz ihres Namens und Aussehens nicht näher mit den Echten Kröten verwandt sind, bewohnen Lebensräume, die in Deutschland heute unter großem landwirtschaftlichen Druck stehen. Wir finden die Art in offenen Landschaften mit sandigen Böden, z. B. in Sand- und Kiesgruben, aber auch auf Ackerbrachen und Militärübungsplätzen. Knoblauchkröten sind als Bewohner solcher Lebensräume „aus zweiter Hand“ fast schon als Kulturfolger zu bezeichnen, aber dennoch gehen ihre Bestände zurück, und die Zukunft dieser Art ist zumindest in unseren westlichen Landesteilen ungewiss. Ein schwacher Trost ist da, dass sie im Osten Europas, z. B. in den Steppenlandschaften Polens oder Russlands, gebietsweise noch häufig vorkommt.
Es gibt also gute Gründe dafür, warum wir 2007 die Knoblauchkröte ins „Rampenlicht“ rücken. Besonders freuen wir uns über die erstmalige Beteiligung der Österreichischen Gesellschaft für Herpetologie (ÖGH), die unsere Aktion fachlich begleitet und die Situation der Knoblauchkröte in unserem Nachbarland darstellt.
Wie bereits im letzten Jahr wird die Aktion auch 2007 mit einer gemeinsamen von der AG Feldherpetologie der DGHT und dem NABU Bundesfachausschuss für Feldherpetologie und Ichthyofaunistik veranstalteten Fachtagung zum Thema Knoblauchkröte im Herbst abgeschlossen. Diese für alle Interessenten offenstehende Tagung, auf der naturschutzrelevante Informationen und Probleme diskutiert werden, bildet den Abschluss unseres „Knoblauchkrötenjahres“ – passend zur Winterruhe des „Studienobjekts“. Die Frage nach dem Ursprung seines eigenartigen Namens wird sich allerdings leicht vorher klären, nämlich durch die Lektüre der hier bereitgestellten Informationen.
Autoren: Dr. Axel Kwet (2. Vorsitzender der DGHT (Geschäftsbereich Feldherpetologie/Naturschutz), Andreas Nöllert
Textquelle: Aktionsbroschüre 2007: Die Knoblauchkröte (download)
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