Würfelnatter

Sep 7, 2013 by     Posted under: Artensteckbriefe Reptilien

Artensteckbrief Würfelnatter (Natrix tessellata)

Würfelnatter (Natrix tessellata), Nahetal, Foto: Jessika Hillen

Würfelnatter (Natrix tessellata), Nahetal, 15.07.2009, Foto: Jessika Hillen

Würfelnatter (Natrix tessellata),adult, Foto: Sigrid Lenz

Würfelnatter (Natrix tessellata),adult, Foto: Sigrid Lenz

Art:
Natrix tessellata, Würfelnatter

Heimische Unterart(en):
Natrix tessellata tessellata

Fauna-Flora Habitatrichtlinie:
FFH-Richtlinie (Anhang IV)

Rote Liste Status:
RL Deutschland (2009): vom Aussterben bedroht

RL HE (2010): ausgestorben
RL RP (1996): vom Aussterben bedroht
RL SN (1999): ausgestorben (nicht mehr aktuell)

 

Würfelnatter (Natrix tessellata) auf Nahrungssuche, Foto: Sigrid Lenz

Würfelnatter (Natrix tessellata) auf Nahrungssuche, Foto: Sigrid Lenz

Beschreibung:

Neben der Ringelnatter ist die wesentlich seltenere Würfelnatter (Natrix tessellata) die zweite in Deutschland heimische Wassernatter. Die Weibchen können eine Gesamtlänge von etwa 100 cm erreichen, während die Männchen meist unter 80 cm bleiben. Die Rückenfärbung variiert zwischen Grau-, Braun- und Olivtönen. In der Regel besteht die Rückenzeichnung aus vier bis fünf Reihen dunkler  Flecken, die alternierend angeordnet sind oder verschmelzen. Die Unterseite ist weiß bis gelb gefärbt und gleicht in ihrer Zeichnung mit der schwarzen Fleckung einem Schachbrettmuster. Der Kopf der Natter ist deutlich vom schlanken Körper abgesetzt. Als Anpassung an ihre aquatische Lebensweise sind die Augen und Nasenlöcher leicht nach oben gerückt und ihre Schuppen stark gekielt.

 

Gesamtverbreitung:

Die Würfelnatter ist von der Südostschweiz und der Apennin-Halbinsel über den Balkan bis nach Westchina verbreitet. Ihre südliche Verbreitungsgrenze erreicht die Art in Oberägypten,  Jordanien und Pakistan. Isolierte nördliche Relikt-vorkommen der Art finden sich in Deutschland und Tschechien.

 

Verbreitungskarte Würfelnatter – Natrix tessellata (Laurenti, 1768)

Verbreitungskarte Würfelnatter – Natrix tessellata (Laurenti, 1768)

Verbreitung national:

Fossilbelege deuten darauf hin, dass vor etwa 5000–8500 Jahren weite Teile Mitteleuropas von der Würfelnatter besiedelt wurden. Durch die Abkühlung in den letzten 5000 Jahren konnte die Art nur an wenigen, besonders wärmebegünstigten Standorten in Deutschland überleben. Als typische Reliktvorkommen sind die sehr weit nördlich des geschlossenen südöstlichen Areals vorkommenden deutschen Populationen stark isoliert. Aktuell bestehen noch 3 auch national isolierte Reliktpopulationen an den Flüssen Mosel, Lahn (jeweils 1-2 km Ufer) und Nahe, (hier 20 km Ufer) im Bundesland Rheinland-Pfalz. An der Ahr wurden aktuell nachweislich Würfelnattern aus Ungarn oder Slowenien ausgesetzt. An der Elbe bei Meissen existiert zudem eine kleine auf eine Wiederansiedlung eines ehemals besiedelten Flussab-schnitts zurückgehende reproduzierende Population. Hier finden Sie den Verbreitungsatlas für alle einheimischen Reptilien und Amphibien.

 

Würfelnatter (Natrix tessellata) Lebensraum, Nahetal, Foto: Sigrid Lenz

Würfelnatter (Natrix tessellata) Lebensraum, Nahetal, Foto: Sigrid Lenz

Würfelnatter (Natrix tessellata) Lebensraum, Nahetal, Foto: Sigrid Lenz

Würfelnatter (Natrix tessellata) Lebensraum, Nahetal, Foto: Sigrid Lenz

Lebensräume:

In Deutschland liegen alle Würfelnatter-Lebensräume an klimatisch besonders begünstigten sonnenexponierten Flussabschnitten. Die besiedelten Fliessgewässer weisen teilweise sehr unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten auf engstem Raum auf. Bedeutsam als Nahrungshabitate (Fischlaichzonen) sind buchtenreiche Uferzonen und strukturreiche Unterwasserbereiche, wie sie mitunter im Siedlungsbereich in der Nähe von Wehren und Dämmen zu finden sind. Die daran anschließenden Kies- und Schotterbänke im Ufer-bereich gehen in eine lückige Ufervegetation und sonnenexponierte oftmals felsige Hangfläche über. In Hanglage bieten Felsformation-en und Trockenmauern in Trockenrasen und Weinbergsbrachen ideale Winterquartiere (Felsen, Spaltensysteme) und Sonnenplätze (direkte Sonneneinstrahlung zur schnellen Erwärmung). Zur Eiablage werden Treibgut- und Sandanschwemmungen in Flussnähe sowie Trockenmauern genutzt.

 

Würfelnatter (Natrix tessellata) Jungtier, Straßenopfer, Foto: Sigrid Lenz

Würfelnatter (Natrix tessellata) Jungtier, Straßenopfer, Foto: Sigrid Lenz

Gefährdung & Schutz:

Aufgrund ihrer Seltenheit und starker Beeinträchtigung ihres Lebensraums gilt die Würfel-natter bundesweit als „vom Aussterben bedroht“. Zudem gehört sie als Anhang IV Art der FFH-Richtlinie zu den „streng zu schützenden Arten von gemeinschaftlichem Interesse“. Die dramatischen und historisch gut belegten Bestandsrückgänge der Art in Folge massiver Fluss-regulierungen und dem Ausbau von Verkehrswegen veranlassten das Bundesland Rheinland-Pfalz (damaliges Landesamt für Umweltschutz gemeinsam mit der Gesellschaft für Ornitho-logie und Naturschutz, GNOR e.V.) bereits 1980 dazu, das Artenschutzprojekt „Würfelnatter“ zu initiieren. Alle Restvorkommen wurden erfasst und die Nachweisgebiete unter Erarbeitung von Pflege- und Entwicklungsplänen unter Naturschutz gestellt.

Würfelnatter (Natrix tessellata) Jungtier, Foto: Sigrid Lenz

Würfelnatter (Natrix tessellata) Jungtier, Foto: Sigrid Lenz

An der Mosel war die Art über den Mittel- und Unterlauf ehemals weit verbreitet. Zum Schutz und zur Förderung eines kleinen über-dauernden Restbestandes der Würfelnatter am Unterlauf des Flusses wurde im Rahmen eines Entwicklungs- und Erprobungs-projektes des Bundesamtes für Naturschutz und der DGHT als Projektträger von 1997–2001 ein stark verbauter Flussabschnitt renaturiert. Um der noch verbleibenden Restpopulation an der Lahn eine Ausbreitung über das ehemalige Areal zu ermöglichen, wurden Trittsteinbiotope angelegt und teilweise Nachzuchttiere und umgesetzte Jungtiere entlassen. In Meissen an der Elbe wurde 1999 eine Wiederansiedlung mit Nattern aus demselben Fluss-system aus der Tschechischen Republik erprobt. Das Jahrhundert-hochwasser im Sommer 2002 sorgte für einen Einbruch des dortigen Bestandes, dennoch existiert bis heute eine reproduzierende Würfelnatter-Population an der Elbe. Um dem Straßentod als wichtigen Gefährdungsfaktor entgegenzuwirken, wurden an Elbe, Mosel und Nahe Reptilienabweis-systeme entlang von stark befahrenen, Straßen in Ufernähe der Flüsse errichtet.

 

Weitere Informationen zu dieser Art finden Sie unter:

 

 

Literatur:

Gruschwitz, M. (1978): Untersuchungen zu Vorkommen und Lebensweise der Würfelnatter (Natrix t. tessellata) im Bereich der Flüsse Mosel und Lahn (Rheinland-Pfalz) (Reptilia: Serpentes: Colubridae). – Salamandra, 14(2): 80-89.

Gruschwitz, M. (1985): Status und Schutzproblematik der Würfelnatter (Natrix tessellata Laurenti 1768) in der Bundesrepublik Deutschland. – Natur und Landschaft, 60(9): 353-356.

Gruschwitz, M. (1997): Möglichkeiten der Wiederansiedlung der Würfelnatter, Natrix tessellata (Laurenti, 1768) in Sachsen (Reptilia: Serpentes: Colubridae). – Jahresschrift für Feldherpetologie und Ichthyofaunistik, 4: 40-46.

Gruschwitz, M. (2007): Würfelnatter, Natrix tessellata (Laurenti, 1768). In: Laufer, H., Fritz, K. & P. Sowig (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Baden-Württembergs, S. 687-692. Ulmer Eugen Verlag, Stuttgart.

Gruschwitz, M. & R. Günther (1996): Würfelnatter – Natrix tessellata (Laurenti, 1768). – pp. 684-699 in Günther, R. (Hrsg.): Die Amphibien und Reptilien Deutschlands. – Gustav Fischer Verlag, Jena, Stuttgart, Lübeck, Ulm.

Gruschwitz, M. & S. Lenz (2002): Würfelnatter übersteht Jahrtausendflut an der Elbe. – elaphe, N.F., 10(4): 40-44.

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Guicking, D., Herzberg, A. & M. Wink (2004): Population genetics of the dice snake (Natrix tessellata) in Germany: implications for conservation. – Salamandra, 40(3/4): 217-234.

Guicking, D., Lawson, R., Joger, U. & M. Wink (2006): Evolution and phylogeny of the genus Natrix (Serpentes: Colubridae). – Biological Journal of the Linnean Society, 87: 127–143.

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Lenz, S. (2006): Zur aktuellen Situation der Würfelnatter an der Elbe. – elaphe, N.F., 14(1): 12-14.

Lenz, S. (2013): Würfelnattern an der Ahr? – Terraria/Elaphe 3/2013: 112.

Lenz, S. & M. Gruschwitz (1993a): Zur Autökologie der Würfelnatter, Natrix t. tessellata (Laurenti 1768) (Reptilia: Serpentes: Colubridae) in Deutschland. – pp. 235-252 in: Gruschwitz, M., Kornacker, P. M., Podloucky, R., Völkl, W. & M. Waitzmann (Hrsg.): Verbreitung, Ökologie und Schutz der Schlangen Deutschlands und angrenzender Gebiete. – Mertensiella, 3.

Lenz, S. & M. Gruschwitz (1993b): Zur Populationsökologie der Würfelnatter, Natrix t. tessellata (Laurenti 1768) in Deutschland (Reptilia: Serpentes: Colubridae). – pp. 253-268 in: Gruschwitz, M., Kornacker, P. M., Podloucky, R., Völkl, W. & M. Waitzmann (Hrsg.): Verbreitung, Ökologie und Schutz der Schlangen Deutschlands und angrenzender Gebiete. – Mertensiella, 3.

Lenz, S., Gruschwitz, M., Schmidt, A. & A. Herzberg (2006): Entwicklung und Vernetzung von Lebensräumen sowie Populationen bundesweit bedrohter Reptilien an Bundeswasserstraßen am Beispiel der Würfelnatter (Natrix tessellata) an den Flüssen Mosel, Lahn und Elbe. – Natur und Landschaft, 3: 152-157.

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Lenz, S. & A. Schmidt (2002): Bericht zum Stand des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens „Würfelnatter“ der DGHT – 3. Teil: Erprobungsstandort Mosel. – elaphe, N.F., 10(1): 53-59.

Luiselli, L. & P. Zimmermann (1997): Thermal ecology and reproductive cyclicity of the snake Natrix tessellata in south-eastern Austria and central Italy: a comparative study. – Amphibia-Reptilia, 18(4): 383-396.

Mebert, K. (2011): The Dice Snake, Natrix tessellata: Biology, Distribution and Conservation of a Palaearctic Species. – Mertensiella, 18, 456 pp.

Obst, F. J. (1976): Die Würfelnatter bei Meißen – ein erloschenes Vorkommen (Reptilia, Ophidia, Colubridae). – Zoologische Abhandlungen Staatliches Museum für Tierkunde in Dresden, 34(1): 47-52.

Obst, F. J. (1989): „Die Würfelnatter bei Meißen – ein erloschenes Vorkommen“ – nur ein bedauerlicher Fakt oder auch eine Herausforderung? – Feldherpetologie 1989: 16-22.

Obst, F. J. & P. Strasser (2011): Das sächsische Vorkommen der Würfelnatter im Elbtal bei Meißen. – pp. 58-69 in Mebert, K. (ed.): The Dice Snake, Natrix tessellata: Biology, Distribution and Conservation of a Palaearctic Species. – Mertensiella, 18.

Schmidt, A. D. & S. Lenz (2001): Bericht zum Stand des Erprobungs- und Entwicklungsvorhabens „Würfelnatter“ der DGHT – 1. Teil: Erprobungsstandort Elbe. – elaphe, N.F., 9(3): 60-66.

Zimmermann, R. (1922): Ein Beitrag zur Lurch- und Kriechtierfauna des ehemaligen Königreichs Sachsen. – Archiv für Naturgeschichte, Berlin, 88(A): 245-267.

 Text: Ulrich Schulte unter Mitarbeit von Sigrid Lenz (mit Auszügen aus der DGHT Aktionsbroschüre zur Würfelnatter als Reptil des Jahres 2009)

 

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