Nördlicher Kammmolch

Sep 5, 2013 by     Posted under: Artensteckbriefe Amphibien

Artensteckbrief Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus)

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus), Männchen in Wassertracht, NSG "Windknollen", Jena, Thüringen, Deutschland, Mai 1991, Foto: Andreas Nöllert

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus), Männchen in Wassertracht, NSG „Windknollen“, Jena, Thüringen, Deutschland, Mai 1991, Foto: Andreas Nöllert

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus), Weibchen in Wassertracht, NSG "Windknollen", Jena, Thüringen, Deutschland, Mai 1991, Foto: Andreas Nöllert

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus), Weibchen in Wassertracht, NSG „Windknollen“, Jena, Thüringen, Deutschland, Mai 1991, Foto: Andreas Nöllert

Art:
Triturus cristatus, Nördlicher Kammmolch

Unterart(en):
Triturus cristatus cristatus

Fauna-Flora Habitatrichtlinie:
FFH-Richtlinie (Anhang II und IV)

Rote Liste Status:
RL Deutschland (2009): Vorwarnliste

RL BB (2004): gefährdet
RL BE (2004): gefährdet
RL BW (1999): stark gefährdet
RL BY (2003): stark gefährdet
RL HE (2010): Vorwarnliste
RL HH (2004): gefährdet
RL MV (1992): stark gefährdet
RL NI (1994): gefährdet
RL NW (2011): gefährdet
RL RP (1996): stark gefährdet
RL SH (2003): Vorwarnliste
RL SL (2008): gefährdet
RL SN (1999): stark gefährdet
RL ST (2004): gefährdet
RL TH (2011): gefährdet

 

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus), Männchen in Wassertracht, NSG "Windknollen", Jena, Thüringen, Deutschland, Mai 1991, Foto: Andreas Nöllert

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus), Männchen in Wassertracht, NSG „Windknollen“, Jena, Thüringen, Deutschland, Mai 1991, Foto: Andreas Nöllert

Beschreibung:

Der Nördliche Kammmolch (Triturus cristatus) ist mit 11 bis 14 cm, in Ausnahmefällen bis 20 cm Gesamtlänge, der mit Abstand größte heimische Wassermolch. Der Name rührt von dem auffälligen Kamm auf dem Rücken der paarungsbereiten Männchen in Wassertracht. Die Rückenseite ist eher unscheinbar schwarz bis dunkelbraun gefärbt und zeigt schwarze Flecken, wohingegen sich die Bauchseite deutlich durch ihre auffällig leuchtend gelbe bis orangerote Färbung und ein schwarzes Fleckenmuster abhebt. Jeder Kammmolch besitzt ein individuell ausgebildetes Fleckenmuster der Bauchseite, welches bei Fang-Wiederfangstudien eine verlässliche Erkennung von adulten Individuen innerhalb einer Population ermöglicht.

 

Gesamtverbreitung:

Triturus cristatus ist von der Bretagne und den Britischen Inseln (exklusive Irlands) über Mitteleuropa und den Süden Skandinaviens bis nach Westrussland verbreitet. Die südliche Verbreitungsgrenze der Art verläuft entlang einer Linie von Westfrankreich über das Zentralmassiv nördlich des Alpen-Hauptkamms durch die Schweiz und Österreich bis auf den nördlichen Balkan. Auf der Iberischen Halbinsel fehlt die Art. Italien hingegen wird vom Italienischen Kammmolch (Triturus carnifex; häufig auch als Alpen-Kammmolch bezeichnet) besiedelt (siehe auch Wissenswertes). Nördlich dringt der Nördliche Kammmolch nicht über den 64. Breitengrad vor.

 

Verbreitungskarte nördlicher Kammmolch – Triturus cristatus (Laurenti, 1768)

Verbreitungskarte nördlicher Kammmolch – Triturus cristatus (Laurenti, 1768)

Verbreitung national:

Der naturräumlichen Gliederung Deutschlands entsprechend ist der Nördliche Kammmolch als eine Art des Flach- und Hügellandes vor allem in den  Ebenen und Niederungen weit verbreitet, während in den Mittelgebirgen nur einzelne, isolierte Vorkommen bekannt sind. In der Atlantischen Biogeografischen Region ist die Art weit verbreitet, wird jedoch in der Geest selten und fehlt in der Marsch. In der Kontinentalen Biogeografischen Region werden vor allem die Tiefebenen entlang von Flussläufen besiedelt. In den Mittelgebirgen (z.B. Hunsrück, Taunus, Rhön, Odenwald, Schwarzwald, Schwäbische Alb, Spessart, Fichtelgebirge, Oberpfälzer Wald) ist der Nördliche Kammmolch hingegen von Natur aus selten oder fehlt. Die Alpine Biogegrafische Region wird von der Art nicht besiedelt. Die Alpen bleiben mit Ausnahme einzelner Talöffnungen fundfrei.
Hier finden Sie den Verbreitungsatlas für alle einheimischen Reptilien und Amphibien.

 

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus). Im Teichtal südwestlich von Hainrode siedelt eine der individuenreichsten Populationen der Art in Thüringen. Thüringen, Deutschland, 02.08.2011, Foto: Andreas Nöllert

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus). Im Teichtal südwestlich von Hainrode siedelt eine der individuenreichsten Populationen der Art in Thüringen. Thüringen, Deutschland, 02.08.2011, Foto: Andreas Nöllert

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus). Fortpflanzungsgewässer „Schmölener Brack“ im NSG „Binnendünen“ bei Klein Schmölen. Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland, 25.05.2012, Foto: Andreas Nöllert

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus). Fortpflanzungsgewässer „Schmölener Brack“ im NSG „Binnendünen“ bei Klein Schmölen. Mecklenburg-Vorpommern, Deutschland, 25.05.2012, Foto: Andreas Nöllert

Lebensräume:

Da der Nördliche Kammmolch die größte Bindung (längste aquatische Phase) aller heimischen Molche an sein Laichgewässer besitzt, kommt dem aquatischen Lebensraum der Art eine besondere Rolle zu. Gute Kammmolchgewässer im Flach- und Hügelland sind sonnig, pflanzenreich, relativ groß und tief, vor Düngereinträgen geschützt, stehend und fischfrei. Auch wenn die Gewässer im Offenland liegen, müssen in näherer Umgebung geeignete Landlebensräume wie Laub- und Mischwälder mit einer ausgeprägten Krautschicht und einem hohen Totholzanteil vorhanden sein. Als weitere wichtige Komponente für die Wanderung zwischen Land- und Wasserhabitat sind Hecken und Feldgehölze als lineare Strukturen zu nennen. Kammmolche verstecken sich während der terrestrischen Phase tagsüber häufig unter Astwerk, Holzstapeln, Wurzelhöhlungen und Steinen sowie in Kleinsäugergängen, um eine Austrocknung bei unvorteilhafter Witterung zu vermeiden. Entlang der großen Flussauen haben Abgrabungen wie Kies- und Tongruben sowie Steinbrüche eine große Bedeutung als Sekundärlebensräume.

 

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus), Fang-Wiederfang Männchen M28, Münster Choerde, April und Mai 2008, Foto: Ulrich Schulte

Nördlicher Kammmolch (Triturus cristatus), Fang-Wiederfang Männchen M28, Münster Choerde, April und Mai 2008, Foto: Ulrich Schulte

Wissenswertes:

In den 1970er Jahren wurden Kammmolche im Berchtesgadener Land entdeckt, die Merkmale zeigten, die nicht eindeutig Triturus cristatus zuzuordnen waren. Anschließende morphologische Untersuchungen ermittelten einige Hybridpopulationen zwischen dem Nördlichem und dem Italienischem Kammmolch, sodass der Italienische Kammmolch vorübergehend als weitere heimische Amphibienart betrachtet wurde. Neuere genetische Analysen zeigen jedoch, dass die früheren Hybridpopulationen stark rückläufig sind und aktuell nur noch eine Population Merkmale von T. carnifex zeigt. Allerdings konnten diese Untersuchungen auch bestätigen, dass es eine natürliche Hybridzone zwischen beiden Arten in der Region Salzburg gibt, die sich bis in das Berchtesgadener Land nach Bayern zieht. Interessanterweise konnte eine klinale Verteilung von reinen T. cristatus im Nordwesten in Bayern über Hybride im Zentrum der Kontaktzone bis hin zu reinen T. carnifex im Südwesten in Österreich beschrieben werden, die sich auf nur 40 km Länge erstreckt. Im Landkreis Erding wurde eine T. carnifex-Population 1990/1991 ausgesetzt, die ihren Ursprung an der kroatischen Adriaküste hat.

 

Gefährdung & Schutz:

Unter den heimischen Molcharten ist der Nördliche Kammmolch die seltenste und anspruchsvollste Art und daher von besonderem naturschutzfachlichen Interesse. So wird er in der FFH-Richtlinie als streng zu schützende Tierart der Anhänge II und IV aufgeführt und gilt in zahlreichen Bundesländern als „stark gefährdet“, bzw. „gefährdet“. Die Gefährdung der Art ist vor allem auf das Verschwinden von Kleingewässern aus der Landschaft zurückzuführen. Zusammenfassend lassen sich vor allem folgende Gefährdungsursachen formulieren:

  • Verlust oder Entwertung ehemaliger Laichgewässer durch Fischbesatz, Verfüllung, wasserbauliche Maßnahmen sowie Bebauungen
  • Verlust von Landlebensräumen durch  Ausräumung der Landschaft und Intensivierung der Landwirtschaft
  • Beseitigung von Überschwemmungsflächen in Auenbereichen und großflächige Grundwasserabsenkung
  • Erhöhung der Nährstoff- und Schadstoffeinträge in Laichgewässer durch Intensivierung der Landwirtschaft
  • Fragmentierung von Lebensräumen und Ausbreitungskorridoren durch anhaltenden Straßen- und Siedlungsbau (Zunehmende Isolation von Vorkommen)
  • Straßentod

Folgende Schutzziele und Pflegemaßnahmen sind geeignet um den Nördlichen Kammmolch dauerhaft zu schützen:

  • Erhalt und Neuanlage von besonnten fischfreien Laichgewässern mit ausgeprägter Ufer- und Unterwasservegetation, die temporär (mind. alle 3-5 Jahre) trockenfallen sollten; ist das nicht möglich, sollten ablassbare Gewässer angelegt werden
  • Förderung von Feuchtgrünlandkomplexen
  • Förderung und Neuanlage von linearen Landschaftselementen (Hecken und Feldgehölze)
  • Pflege- und Entwicklungskonzepte für Abbaugebiete
  • Erhaltung und Entwicklung dynamischer Auenbereiche und großflächiger Feuchtgebiete
  • Reduzierung von Nährstoff- und Schadstoffeinträgen in Laichgewässer durch eine Ausweisung von Pufferzonen in der Landwirtschaft
  • Entfernen von Fischen aus Laichgewässern durch Ablassen oder Abpumpen des Wassers (durch Elektrobefischung kann in größeren Gewässern immer nur ein Teil der Fische entfernt werden)
  • Amphibienschutzmaßnahmen an Straßen (z.B. stationäre Amphibienschutzanlagen, Amphibienzäune, Geschwindigkeitsbegrenzung, Straßensperrungen)

 

Literatur:

Arntzen, J.W. (2003): Triturus cristatus Superspezies – Kammmolch Artenkreis.- In: Grossenbacher, K. & B. Thiesmeier (Hrsg.): Handbuch der Reptilien und Amohibien Europas, Band 4/II A Schwanzlurche (Urodela) II A, Salamandridae II: Triturus 1, Aula-Verlag, Wiesbaden, S. 411-514.

Breuckmann, A. & A. Kupfer (1998): Zur Umsiedlung einer Kammolch-Population (Triturus cristatus) im nordöstlichen Ruhrgebiet: ein Rückblick nach zehn Jahren. – Zeitschrift für Feldherpetologie, 5: 209-218.

Franzen, M., Gruber, H.-J. & U. Heckes (2002): Eine allochthone Triturus carnifex-Population in Südbayern (Deutschland). – Salamandra, 38: 149-154.

Freyrag, G. E. (1978): Über Triturus cristatus bei Salzburg (Amphibia: Caudata: Salamandridae). – Salamandra, 14: 45-46.

Groddeck, J. (2006): Kriterien zur Bewertung des Erhaltungszustands der Population des Kammmolchs Triturus cristatus (LAURENTI, 1768). – In: Schnitter, P., Eichen, C., Ellwanger, G., Neukirchen, M. & E. Schröder (Hrsg.): Empfehlungen für die Erfassung und Bewertung von Arten als Basis für das Monitoring nach Artikel 11 und 17 der FFH-Richtlinie in Deutschland. – Berichte des Landesamtes für Umweltschutz Sachsen-Anhalt (Sonderheft) 2 (Landesamt für Umweltschutz Sachsen-Anhalt, Halle): 270-271.

Grosse, W.-R. & S. Meyer (2008): Untersuchungen und Ausbreitungspotenzial, Konnektivität und Verbreitung des Kammmolchs (Triturus cristatus LAURENTI, 1768) in Sachsen-Anhalt. – Hercynia N.F., 41: 121-134.

Haacks, M., Bock, D., Drews, A., Flottmann, H.-J., Geske, C., Kupfer, A., Ortmann, D. & R. Podloucky (2009): Bundesweite Bestandserfassung von Kammmolchen im Rahmen des FFH-Monitorings – Erfahrungen zur Fängigkeit von verschiedenen Wasserfallentypen. – Natur und Landschaft, 84: 276-280.

Jehle, R. & J. W. Arntzen (2001): Ist der Kammolch (Triturus cristatus) genetisch gefährdet? – RANA, 4: 193–198.

Jehle, R., Thiesmeier, B. & J. Foster (2011): The Crested Newt. A dwindling pond-dweller. – Laurenti-Verlag, Bielefeld, 152 pp.

Krone, A. (Hrsg.) (2001): Der Kammmolch (Triturus cristatus) – Verbreitung, Biologie, Ökologie und Schutz. – RANA, 4, 342 S.

Kupfer, A. (1998): Wanderstrecken einzelner Kammolche (Triturus cristatus) in einem Agrarlebensraum. – Zeitschrift für Feldherpetologie, 5: 238-242.

Kupfer, A. & B. von Bülow (2001): Der Kammolch (Triturus cristatus) in Nordrhein-Westfalen: Verbreitung, Habitate und Gefährdung? – RANA, 4: 83–91.

Kupfer, A. & B. von Bülow (2011): Nördlicher Kammmolch. – In: Arbeitskreis Amphibien Reptilien NRW (Hrsg.): Handbuch der Amphibien und Reptilien Nordrhein-Westfalens. – Laurenti, Bielefeld: 376-406.

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Malmgren, J. C. (2002): How does a newt find its way from a pond? Migration patterns after breeding and Metamorphosis in Great Crested Newts (Triturus triturus) and Smooth Newts (Triturus vulgaris). – Herpetological Journal, 12: 29-35.

Matthé, M., Schönbrodt, T. & G. Berger (2008): Computergestützte Bildanalyse von Bauchfleckenmustern des Kammmolchs (Triturus cristatus). – Zeitschrift für Feldherpetologie, 15: 89-94.

Meyer, F., Mehnert, J. & A. Nöllert (2001): Verbreitung und Situation des Kammolches in den Ländern Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen. – RANA, 4: 71-81.

Meyer, S. & W.-R. Grosse (2007): Populationsgröße, Altersstruktur und genetische Diversität einer Metapopulation des Kammmolches (Triturus cristatus) in der Kulturlandschaft Sachsen-Anhalts. – Zeitschrift für Feldherpetologie, 14: 9-24.

Schmidtler, J. F. (1976): Die bemerkenswerten Kammolche (Triturus cristatus) des Berchtesgadener Landes. – Salamandra, 12: 32-36.

Schulte, U. & C. Beckmann (2009): Kammmolch-Erfassung in der Coerheide. – Naturzeit im Münsterland, 11: 30-31.

Serfling, C. (2011): Bestandssituation des Nördlichen Kammmolches, Triturus cristatus (Laurenti, 1768), in den thüeingischen FFH-Gebieten – Ergebnisse der Erfasungen von 2002-2007. –  pp. 174-181 in Serfling, C. & A. Nöllert (Bearb.): Amphibien in Thüringen. Berichte über ausgewählte Arten und Themen. – Landschaftspflege und Naturschutz in Thüringen, 48(4, Sonderheft).

Sinsch, U., Lang, V. & R. Wiemer (2003): Dynamik einer Kammmolch- Metapopulation (Triturus cristatus) auf militärischem Übungsgelände (Schmittenhöhe, Koblenz). – Zeitschrift für Feldherpetologie, 10: 193-244.

Sochurek, E. (1956): Achtet auf Triturus c. carnifex in Süd-Bayern! – Die Aquarien- und Terrarienzeitschrift, 9: 82.

Thiesmeier, B., A. Kupfer & R. Jehle (2009): Der Kammmolch, – ein „Wasserdrache“ in Gefahr (2. Aufl.). Laurenti-Verlag, Bielefeld, 160 S.

Text: Ulrich Schulte 

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