Für den Schutz der Sumpfschildkröte

Erhalt und Revitalisierung von Gewässerlebensräumen

Idealer Lebensraum: strukturierte Gewässer- und deckungsreiche Uferpartien; Foto: N. Schneeweiß

Idealer Lebensraum: strukturierte Gewässer- und deckungsreiche Uferpartien; Foto: N. Schneeweiß

Landschaften mit einem Verbund möglichst zahlreicher und vielgestaltiger Gewässer, durchsetz t mit besonnten Dünen oder Moränenhängen bieten gute Leitbilder für den Erhalt und die Revitalisierung von Sumpfschildkrötengebieten. Der Rückhalt des gebietseigenen Oberflächenwassers ist hier erstes Gebot. Sofern der Gebietswasserhaushalt durch Melioration gestört ist, sind die Möglichkeiten des Rückstaus im Entwässerungssystem (Gräben, Dränagen und Ähnliches) in vollem Umfang auszuschöpfen. Hierzu zählen der Bau von Dämmen, Stauen und Sohlschwellen oder das Verfüllen von Entwässerungsgräben. Bei der Sanierung oder Neuanlage von Gewässern ist mit äußerster Behutsamkeit vorzugehen. Eine Voruntersuchung ist erforderlich, um eine Gefährdung von Schildkröten durch die Eingriff e auszuschließen. Pflegemaßnahmen in Sumpfschildkrötengewässern, wie beispielsweise die Entnahme von Vegetation (zum Beispiel Breitblättriger Rohrkolben) sind ebenfalls mit äußerster Vorsicht, möglichst manuell vorzunehmen. Nur auf diese Weise kann
eine erhebliche Störung oder gar Verletz ung von Tieren ausgeschlossen werden. Der Rückschnitt von Gehölzaufwuchs wie Erle oder Weide kann in den Sommerlebensräumen außerhalb der Vegetationszeit erfolgen. Der Erhalt strukturierter Gewässer- und deckungsreicher Uferpartien mit einem möglichst großen Angebot günstiger Sonnenplätze (zum Beispiel umgestürzte Bäume, alte Weidenbüsche) ist wichtig. Bei den von Europäischen Sumpfschildkröten besiedelten Gewässern ist zwischen Sommer-und Überwinterungshabitaten zu unterscheiden. Den Winter verbringen sie bevorzugt in wasserführenden Erlenbrüchen oder Weidendickichten. Pflegemaßnahmen in diesen Bereichen sollten vermieden oder im Bedarfsfall minimiert und jahreszeitlich außerhalb der winterlichen Ruhephase durchgeführt werden.

Schutz, Pflege und Neuanlage von Landlebensräumen (Gelegeplätze und Gewässerumfeld)

Schonende Mahd des Gelegehügels; Foto: I. Tetzlaff

Schonende Mahd des Gelegehügels; Foto: I. Tetzlaff

Die Landnutzung im Umfeld der Schildkrötengewässer spielt eine große Rolle. Schon aufgrund der bei Sumpfschildkröten sporadisch immer wieder auftretenden Überlandwanderungen ist zum Beispiel intensiver Ackerbau im Umfeld besiedelter Gewässer problematisch. Ackerflächen im Jahreslebensraum sollten daher möglichst in extensiv genutzte Wiesen und Weiden umgewandelt werden. Als Gelegeplatz nutzen Europäische Sumpfschildkröten mikroklimatisch günstige Flächen, im Idealfall Trockenrasen, die mehrere hundert Meter vom Wohngewässer entfernt sein können. Vor allem die gewässernahen Gelegeplätze Gewässerabstand in Luftlinie < 200 m) sind für die Reproduktion und damit den Fortbestand der Population von großer Bedeutung. Sie sind vorrangig zu erhalten und bei Bedarf durch weitere potenzielle Eiablageplätz e zu ergänzen, zum Beispiel durch kleinflächige Kahlschläge oder Anlage geeigneter trocken-warmer Randstreifen (zum Beispiel Entwicklung von Sandtrockenrasen) an südexponierten Waldrändern. In jedem Fall ist auf die mikroklimatische Eignung der Standorte zu achten (Südexposition, möglichst Hanglage, 100%ige Besonnung, Windschutz , lichte Grasnarbe; möglichst Sandtrockenrasen).Auch für kleinere Populationen sollten im Umfeld des/der besiedelten Gewässer/s mindestens 2–3 Gelegeplätze zur Verfügung stehen. Für die Pflege der Wiesen ist eine 1–2-schürige Mahd pro Saison, gegebenenfalls in Kombination mit einer extensiven Beweidung, in der Regel ausreichend. Die Pflegemaßnahmen sind außerhalb der Eiablagesaison (vom 15.5. bis 20.6.) durchzuführen.

Schutz der Nester vor Kahlfrösten

Eine Abdeckung der Nester mit Nadelbaumreisig schützt vor Frostschäden; Foto: N. Schneeweiß

Eine Abdeckung der Nester mit Nadelbaumreisig schützt vor Frostschäden; Foto: N. Schneeweiß

In Mitteluropa überdauern die Schlüpflinge ihren ersten Winter oft in den Nesthöhlen. In dieser Zeit können harte Fröste ohne Schnee (Kahlfröste) den gesamten Reproduktionserfolg der Saison zunichte machen. Es empfiehlt sich daher, die Nester von Mitte November bis etwa Mitte März des Folgejahres mit einer dicken Packung Nadelbaumreisig (Kiefer oder Fichte) abzudecken.

 

 

 

 

Biotopverbund

Straßen und ausgebaute Wege behindern Ausbreitungs- und Wiederbesiedlungsprozesse. Motorisierter Verkehr auch und gerade auf Waldwegen fordert Verluste. Jeder Neubau oder Ausbau von Straßen und Wegen in der Nähe von Sumpfschildkrötenvorkommen ist daher grundsätzlich zu vermeiden. Hierbei ist der Mobilität der Art Rechnung zu tragen. Sowohl Männchen als auch Weibchen und darüber hinaus Jungtiere und Halbwüchsige wechseln im Jahreszyklus zwischen verschiedenen Gewässern. Adulte Weibchen können sich zur Eiablage auf mehrtägige und kilometerlange Wanderungen zu den Gelegeplätzen begeben.

Schutzmaßnahmen an den Nestern

Abdeckung der Nester mit Drahtgitter; Foto: Nationalpark Donau-Auen

Abdeckung der Nester mit Drahtgitter; Foto: Nationalpark Donau-Auen

Die Abwehr von Prädatoren beginnt an den Schildkrötengelegen. Hierfür empfiehlt sich die Abdeckung der Nester mit Maschendraht oder einem Gitter in einer Größe von mindestens 60 x 60 cm (Maschenweite ca. 3 cm). Der Maschendraht wird mit mehreren mindestens 40 cm langen Erdnägeln am Boden befestigt. Kurz nach der Eiablage haben sich zur Abwehr von Prädatoren auch intensive Geruchsstoff e (zum Beispiel Mückenspray) im Umfeld des Nestes bewährt. Voraussetzung für den Schutz der Gelege ist die Kenntnis ihrer Standorte. Zu diesem Zweck werden die Gelegeplätze beispielsweise in Brandenburg seit Jahren während der Eiablagesaison aus größerer Distanz von erfahrenen Mitarbeitern des Schutz projekts beobachtet. Sofern der gesamte Gelegeplatz (größere Fläche mit mehreren Gelegen) eingezäunt wird, ist der Zaun so zu stellen, dass die Schildkrötenweibchen ungehinderten Zugang haben. Letzteres ist alljährlich zu prüfen und gegebenenfalls nachzubessern. Die Einzäunung des Gelegeplatz es ist nicht grundsätzlich zu empfehlen und kann auch nachteilige Effekte (siehe unten) hervorrufen. Sie schütz t die Nester vor allem vor Wildschweinen. Fuchs, Marder, Waschbär und eventuell weitere Arten finden trotz dem Zugang. Es empfiehlt sich daher auch bei eingezäunten Gelegeplätz en, Einzelgelege mit Maschendraht zu sichern. Ein nachteiliger Effekt der Einzäunungen ist die ungehinderte Entwicklung der Vegetation. Der fehlende Zugang äsender Weide- oder Wildtiere verstärkt den Pflanzenwuchs erheblich, was wiederum durch einen höheren Pflegeaufwand
kompensiert werden muss. Des Weiteren kann die obere Bodenschicht ohne den Tritt der Huftiere durch
ungebremstes Wurzelwachstum sehr schnell verfilzen und damit den Schlüpflingen Probleme beim Verlassen
der Nesthöhlen bereiten. Entsprechend der Bodenverhältnisse hilft hier nur ein Aufgrubbern oder partielles
Abplaggen der dichten Grasnarbe.

Jagd

Einzäunen des Eiablageplatzes; Foto: N. Schneeweiß

Einzäunen des Eiablageplatzes; Foto: N. Schneeweiß

Aufgrund der zunehmenden Prädatorendichten (vor allem Waschbär, Marderhund, Fuchs, Wildschwein) ist die konsequente Bejagung dieser Arten in den Brandenburger Vorkommensgebieten von Europäischen Sumpfschildkröten integraler Bestandteil der Schutzmaßnahmen. Mit Unterstützung ortsansässiger Jäger wird versucht, vor allem den gebietsspezifischen Waschbärenbestand gezielt zu reduzieren. Bislang kann nur auf diese Weise verhindert werden, dass sich Waschbären auf die lokale Nahrungsressource Sumpfschildkröte spezialisieren.

 

 

 

Fischerei

In den Wohngewässern von Europäischen Sumpfschildkröten sowie im Ausbreitungshorizont der Populationen (0,5–1 km) sind die Reusenfischerei, das Angeln und die Elektrofischerei zu untersagen. Ein Fischbestand im Gewässer ist für Sumpfschildkröten nicht unmittelbar von Nachteil. So weisen einige Brandenburger Emys-Gewässer zum Beispiel größere Karauschen-Populationen auf. Zu hohe Fischdichten allerdings können sich nachteilig auf die Kleinorganismen und damit auf die Nahrungsbasis der Jungtiere auswirken. Ein Fischbesatz in Kleingewässern ist daher zu vermeiden. Vom Abfischen oder gar Abpumpen der Kleingewässer zur Beseitigung der Fische ist aufgrund der damit verbundenen Störung oder Gefährdung von Schildkröten in betreff enden Lebensräumen aber abzuraten.

Naherholung, Naturtourismus

Störungen der Tiere sind zu vermeiden; Foto: Nationalpark Donau-Auen

Störungen der Tiere sind zu vermeiden; Foto: Nationalpark Donau-Auen

Europäische Sumpfschildkröten reagieren empfindlich auf Störungen. Einheimische Reliktvorkommen haben in Mitteleuropa bis in die Gegenwart ausschließlich in ausgesprochen abgelegenen und kaum zugänglichen, naturnahen Lebensräumen überlebt. Touristisch stark frequentierte Landschaften sind als Lebensraum ungeeignet. Sowohl Wanderwege als auch Radwege sind in möglichst großem Abstand an bestehenden Vorkommen vorbeizuführen. Die Seltenheit und der besondere Gefährdungsstatus der Art in Deutschland (siehe oben) erfordert in der Regel auch die Geheimhaltung der Vorkommensgebiete.

 

Monitoring

Auf der Suche nach besenderten Tieren – Telemetrie; Foto: I. Tetzlaff

Auf der Suche nach besenderten Tieren – Telemetrie; Foto: I. Tetzlaff

Aussagen zum Zustand der Sumpfschildkrötenpopulationen sind nur auf der Grundlage quantitativer Daten möglich. Die Bestandserfassung und das Populationsmonitoring bilden die Basis, um den Zustand einer Population und somit den Erfolg der Schutzmaßnahmen einzuschätzen. Nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sind die Länder der Europäischen Union verpflichtet, eine langfristige Bestandsüberwachung für Arten von gemeinschaftlichem Interesse durchzuführen. Neben Größe und Struktur der Population sowie dem Reproduktionserfolg interessiert hierbei vor allem der Zustand der Lebensräume. Im Rahmen der Berichtspflicht ist im Abstand von sechs Jahren nach einheitlichen Kriterien der Erhaltungszustand der Sumpfschildkrötenpopulationen auf Länderebene zu bewerten.

 

 

Textautoren: Uwe Fritz, Norbert Schneeweiß & Richard Podloucky
Textquelle: Aktionsbroschüre zum Reptil des Jahres 2015 (hier als pdf herunterladen)

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